Peking setzt auf Clinton
4. November 2016"Wir glauben, dass unabhängig vom Wahlausgang der künftige US-Präsident oder die künftige US-Präsidentin im Interesse der USA und im Interesse des amerikanischen Volks die für beide Länder vorteilhafte und kooperative Chinapolitik fortsetzen wird." So verkündete Lu Kang, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, im Frühherbst 2016.
Damit knüpfte der Sprecher an die 2012 zwischen China und USA vereinbarten „neuen Beziehungen zwischen Großmächten im 21. Jahrhundert" an. Damit war unter anderem der Verzicht auf ein sogenanntes außenpolitisches "Nullsummenspiel" gemeint. Es sollte also nicht (weiter) gelten, dass die USA automatisch profitieren, wenn China auf irgendeinem Gebiet einen Verlust oder eine Einbuße seiner Interessen erleidet. Dasselbe gilt natürlich umgekehrt. Stattdessen wollte und will man auf Kooperation und gegenseitigen Vorteil setzen, idealerweise.
Unter diesen außenpolitischen Rahmenbedingungen, wo sich China und die USA als eine Art Schicksalsgemeinschaft sähen, wäre Hillary Clinton die bessere US-Präsidentin für China, sagt China-Experte Cheng Li von der US-Forschungseinrichtung Brookings Institution gegenüber der DW. Demgegenüber bestünde bei einem Wahlsieg Trumps die Gefahr einer Rückkehr zum Nullsummenspiel, das China nicht wolle.
Clintons Respekt für Xi Jinping
China wurde bisher in den TV-Debatten selten erwähnt. Clinton hatte in der dritten und letzten Debatte die billigen Stahl- und Aluminiumprodukte aus China aufgegriffen, um Trump vorzuwerfen, dass dieser "Krokodilstränen um Arbeitsplätze in den USA vergieße". Denn der Immobilienmogul habe für seine zahlreichen Baustellen Billigimporte aus China benutzt und sei mitverantwortlich dafür, dass US-Arbeitsplätze verloren gehen.
Aus Enthüllungen von Wikileaks geht hervor, dass Clinton Respekt gegenüber Xi Jinping hat. 2013 soll die damalige US-Außenministerin vor geschlossener Gesellschaft gesagt haben, Xi sei ein "besserer Politiker" als sein Vorgänger Hu Jintao. "Er hat seine Macht über die Partei und das Militär sehr schnell gefestigt", soll Clinton 2013 auf einem Empfang der CME Group, der größten Terminbörse der Welt, gesagt haben, und weiter: "Er hat einen wirtschaftlichen Reformplan vorgestellt, der teilweise sehr weitreichend ist, und auch einige Reformen im gesellschaftlichen Bereich."
"Hillary Clintons Chinapolitik wird ein hohes Maß an Kontinuität aufweisen, sowohl inhaltlich als auch personell", meint Richard Bush, Direktor der Ostasienstudien bei Brookings Institution. "Sie wird ein Gleichgewicht zwischen Kooperation und Konfrontation suchen. Aber ihr Handeln ist vor allem davon abhängig, was China unternimmt", sagt Bush gegenüber der DW.
In Peking werde Hillary Clinton als "Hardliner" angesehen, da sie immer wieder Themen wie Menschenrechtsverletzungen und Religionsfreiheit thematisiert habe, schreibt Diao Daming von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (CASS) in Peking. Auch bei Themen wie dem Territorialstreit im Südchinesischen Meer und beim sogenannten "Cyberwar" sei damit zu rechnen, dass die US-Demokratin rasch Druck gegenüber China aufbauen werde, falls sie die Wahlen gewinnen sollte. Die Republikaner hätten demgegenüber starke Vorurteile ideologischer Natur gegenüber China. Präsidentschaftskandidat Donald Trump habe China schon öfters "grundlos" kritisiert, so Diao weiter.
Unsicherheitsfaktor Trump
Donald Trump habe nicht wirklich eine klare Chinapolitik, sagt Bush von der Brookings Institution. "Sein außenwirtschaftliche Ansatz, nämlich der Protektionismus, und der sicherheitspolitische Ansatz, nämlich der Isolationismus, widersprechen der Grundsatzstrategie der USA seit den letzten 60 Jahren. Wie er seine Vorstellungen in konkrete Politik gegenüber China umsetzen würde, ist völlig unklar", so Bush im DW-Interview.
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang ließ bei seinem Besuch in den USA im September anlässlich der UN-Vollversammlung doch erkennen, wer sein Favorit ist. Auf einem Empfang mit US-Wirtschaftsvertretern im Economic Club of New York wiederholte er, dass sich die bilateralen Beziehungen "unabhängig vom Wahlausgang" weiterhin nur positiv entwickeln könnten. "Aber ich kann heute schon verraten, dass ich morgen auf der UN-Vollversammlung für mehr Freihandel und mehr Globalisierung plädieren werde", sagte Li und sorgte damit für Heiterkeit unter anwesenden Wirtschaftsbossen, natürlich wegen der Anspielung auf Trumps protektionistischen Wirtschaftskurs. Li stellte später klar: Mit dem US-Wahlkampf habe seine Aussage überhaupt nichts zu tun.