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"Afghanen wie Syrer behandeln"

Reza Shir Mohammadi26. Oktober 2015

Der afghanische Minister für Flüchtlingsangelegenheiten, Sayed Hussain Alimi Balkhi, fordert im Gespräch mit der DW, Deutschland solle mehr statt weniger afghanische Flüchtlinge ins Land lassen.

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Sayed Hussain Alimi Balkhi, Minister für Flüchtlingsfragen und Wiedereingliederung (Foto: Getty Images/AFP/A. Qureshi)
Bild: Getty Images/AFP/A. Qureshi

DW: Weiß die afghanische Regierung von den Plänen der Bundesregierung afghanische Flüchtlinge, deren Asylanträge abgelehnt worden sind, abzuschieben?

Sayed Hussain Alimi Balkhi: Von solch einer Entscheidung wissen wir nichts. Wir haben mit den Deutschen eine Vereinbarung über Abschiebungen. Danach müssen sie uns eine Liste von Asylbewerbern, die sie abschieben wollen, zukommen lassen. Bis jetzt haben wir so eine Liste nicht bekommen.

Ich habe kürzlich eine deutsche Regierungsdelegation in Genf getroffen. Bei dem Treffen habe ich betont, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert. Ich habe sie deshalb ausdrücklich darum gebeten, keine afghanischen Asylbewerber abzuschieben. Gleichzeitig habe ich die deutschen Behörden dringend darum gebeten, mehr afghanische Flüchtlinge aufzunehmen.

In der vergangenen Woche habe ich den deutschen Botschafter in Afghanistan in meinem Büro empfangen und die deutsche Regierung offiziell darum gebeten, Abschiebungen von afghanischen Asylbewerbern zu vermeiden. Während des Treffens habe ich betont, dass Deutschland mehr Asylanträge von Afghanen wegen der Umstände vor Ort genehmigen sollte.

Wir alle haben Sicherheits-Probleme in den Provenzen Kundus, Baghlan, Nangarhar, Sare Pul und Faryab erlebt. Und weitere afghanische Provinzen sind ebenso mit Sicherheitsproblemen konfrontiert.

Afghanische Flüchtlinge in einem Schlauchboot erreichen im August 2015 die griechische Insel Lesbos (Foto: Reuters/Y. Kourtoglou)
Afghanische Flüchtlinge in einem Schlauchboot erreichen im August 2015 die griechische Insel LesbosBild: Reuters/Y. Kourtoglou

Wie wird die afghanische Regierung reagieren, wenn Deutschland damit beginnt, Afghanen abzuschieben?

Wir werden uns dem geltenden Abkommen entsprechend verhalten, das wir mit der Bundesregierung haben. Demnach können schutzlose afghanische Asylsuchende nicht aus Deutschland abgeschoben werden. Das betrifft zum Beispiel Familien, die in Folge der Abschiebung zerbrechen würden, Kinder oder alleinerziehende Mütter und Menschen, die aus unsicheren Regionen stammen.

Asylsuchende, die nicht unter eine dieser Kategorien fallen, können nur dann abgeschoben werden, nachdem wir uns gemeinsam auf ein Vorgehen geeinigt haben und wenn die deutschen Behörden uns im Vorfeld eine Liste mit den Namen der Betroffenen haben zukommen lassen.

Die sich verschlechternde Sicherheitslage ist der Hauptgrund für die Flucht aus Afghanistan. Bei meinem letzten Treffen mit EU-Vertretern habe ich auf die Gefahren hingewiesen, denen die Menschen in unserem Land ausgesetzt sind. Ich habe die EU und auch Deutschland aufgerufen, in Anbetracht der Lage mehr Asylgesuchen von Afghanen stattzugeben.

Die afghanische Regierung hofft, dass die EU-Mitgliedsstaaten ein Verständnis für die Situation im Land entwickeln und ihnen Hilfe anbieten.

Wird die afghanische Regierung abgeschobene Flüchtlinge aus Deutschland in Empfang nehmen?

Wir werden uns nur um die Fälle kümmern, die unter das Abkommen fallen, das wir mit Deutschland haben. Sollten Menschen abgeschoben werden, die entgegen der Richtlinien abgeschoben werden sollen, werden wir an Deutschland appellieren, die Vereinbarungen einzuhalten.

Hat die afghanische Regierung die nötigen Mittel, sich um abgeschobene Rückkehrer zu kümmern?

Nein, wir haben keinerlei Mittel, uns um abgeschobene Flüchtlinge aus Deutschland oder einem anderen europäischen Land zu kümmern.

Die deutsche Regierung hat Flüchtlinge aus Syrien als "besonders schutzbedürftig" eingestuft. Sie haben Priorität vor afghanischen Flüchtlingen, die somit in Deutschland nur in die mittlere Kategorie fallen. Sollte die Bundesregierung afghanischen Flüchtlingen vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Sicherheitslage ebenfalls den Status "besonders schutzbedürftig" zugestehen?

Die Terrormiliz IS ist im Osten Afghanistans aktiv. Täglich kommt es zu Morden und Exekutionen. Afghanistan ist mit denselben Problemen konfrontiert wie Syrien - und teilweise sind diese Probleme sogar noch drängender als dort. Wir haben die Situation gegenüber sämtlichen EU-Ländern thematisiert - verbunden mit der Bitte, Asylgesuche von afghanischen Flüchtlingen mit derselben Priorität zu behandeln wie die aus anderen Krisenländern, beispielsweise aus Syrien.

Sayed Hussain Alimi Balkhi ist Minister für Flüchtlingsangelegenheiten und Wiedereingliederung in Afghanistan.