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Meister statt Sklave: Prince und die Musikindustrie

Andreas Leixnering23. April 2016

Pop-Ikone Prince war nicht nur ein künstlerisches Universaltalent, sondern auch ein Visionär in Sachen Musikvertrieb. Dabei pfiff er auf die Spielregeln der Branche und lieferte sich harte Kämpfe mit den Plattenfirmen.

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Prince-Konzert in Antwerpen (Foto:picture-alliance/dpa/BELGA/D. Waem)
Bild: picture-alliance/dpa/BELGA/D. Waem

Im Januar 1985, gleich nachdem er drei American Music Awards auf einmal kassiert hatte, sollte Prince eine Zeile für den Charity-Song "We Are The World" einsingen, neben Superstars wie Michael Jackson und Bruce Springsteen. Doch das 1,58 Meter große Pop-Genie tauchte einfach nicht im Studio auf. Stattdessen lieferte Prince später einen eigenen, exklusiven Song für das Album zum Benefiz-Projekt. Die Botschaft: Seine Musik ist sein höchsteigenes Ding.

500.000 Alben für die Mülltonne

Prince in Las Vegas (Foto: picture-alliance/dpa/EPA/P. Buck)
Pop-Revoluzzer und Perfektionist: PrinceBild: picture-alliance/dpa/EPA/P. Buck

"Produziert, arrangiert, komponiert und vorgetragen von Prince" - so stand es auf fast allen 39 Studioalben seit Veröffentlichung des Debüts "For You" 1978. Er schrieb seine Songtexte und Melodien selbst und spielte zahllose Instrumente ein. 1987 ließ Prince 500.000 bereits gepresste Exemplare seines "Black Album" wieder einstampfen, weil ihm die Platte nicht gut genug erschien. Künstlerische Kontrolle war für ihn alles. Aber Prince wollte noch mehr: die Rechte an seinem geistigen Eigentum - und Einfluss auf den Vertrieb seiner Musik.

Seit Ende der 1980er Jahre begriff seine Plattenfirma Warner Bros. Records den enormen Output des Multitalents als Problem. Man drängte Prince, weniger Alben zu veröffentlichen, um sie dadurch begehrter zu machen. Im Gegenzug beklagte der sich über eine zu geringe Bewerbung. 1993 kam es zum Bruch, als die Plattenbosse eine Schaffenspause forderten und ein Best-Of-Album rausbringen wollten.

Prince: "Wenn einem die eigenen Master nicht gehören, gehört man dem Master"

Prince Plattencover 'Emancipation' (Foto: Emi/NPG)
Das Cover des Dreifachalbums "Emancipation" von 1996Bild: Emi/NPG

Die überraschende Reaktion: Prince legte seinen Künstlernamen ab und benutzte fortan ein unaussprechliches Symbol als Pseudonym. Journalisten behalfen sich mit der Bezeichnung "The Artist Formerly Known As Prince" ("TAFKAP"). "Er wusste, wenn er mit der Marke Prince bricht, würde es schwer, die eigene Pop-Karriere einfach so fortzusetzen", resümiert Dieter Gorny, der Vorsitzende des deutschen Bundesverbandes Musikindustrie, im DW-Interview. "Aber das Risiko konnte sich Prince erlauben. Er hatte auch musikalisch schon viele Kurven genommen. Er war eigenständig in seiner Genialität und vollkommen akzeptiert."

Unter dem neuen Namen konnte Prince Musik bei anderen Plattenfirmen veröffentlichen. Trotzdem zwang ihn sein laufender Vertrag, bis Ende 1999 sechs weitere Alben für Warner Bros. abzuliefern. Bei Auftritten schrieb sich Prince deswegen das Wort "Slave" (dt. Sklave) auf die Wange. Besonders bitter für ihn: Die Urheberrechte an seinen Songs für Warner besaß nicht er, sondern das Label. Die Stilisierung "guter Künstler, böse Plattenfirma" ist dem Kulturwissenschaftler Gorny aber zu simpel: "Letztendlich profitieren beide voneinander gegenseitig." Für ihn war die Fehde ein öffentliches Ringen um die rechtliche Form der Partnerschaft.

Comeback als Prince

Dieter Gorny (Foto: BVMI/Markus Nass)
Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes MusikindustrieBild: BVMI/Markus Nass

Nach dem Vertragsende im Jahr 2000 nannte sich Prince Roger Nelson wieder Prince. Aber sein Verhältnis zur Musikindustrie war nachhaltig gestört. Er experimentierte mit neuen, eigenen Vertriebswegen. Schon 1998 veröffentlichte er das Album "Crystal Ball" exklusiv im Internet. 2001 lancierte Prince seine Homepage "NPG Music Club", worüber Mitglieder seine Songs exklusiv hören und kaufen konnten. "Prince agierte damit noch vor der digitalen Zeitenwende", sagt Dieter Gorny. Prince habe das Internet zur Musikvermarktung schon zu einer Zeit genutzt, in der noch kaum jemand das Potential des Mediums erkannt habe.

Erst als auch die Industrie auf das Internet setzte, wandte sich Prince wieder ab. Auf Spotify sind seine Hits heute ebenso wenig zu hören wie auf Apple Music. Allein beim vergleichsweisen kleinen Streaming-Dienst Tidal des Rappers Jay-Z ist er dabei.

Seit 2004 veröffentlichte Prince wieder Alben bei großen Plattenfirmen, blieb aber immer unberechenbar. Im Juli 2007 düpierte er Sony BMG, als er sein Album "Planet Earth" kostenlos der britischen Zeitung "Mail on Sunday" beilegte - zwei Wochen vor dem Verkaufsstart. Nach Schätzungen gingen so Umsätze in mehrstelliger Millionenhöhe verloren. "Mit dem Vertrieb über die Zeitung kann ich meine Zuhörer direkt erreichen", konterte der Künstler.

Prince beim Super Bowl in Miami 2007 (Foto: Getty Images/N. Laham)
Prince-Auftritt beim Super Bowl 2007 in MiamiBild: Getty Images/N. Laham

Rückkehr zur Warner Bros.

Im Jahr 2014 machte Prince schließlich seinen Frieden mit seinem alten Label und früherem Gegner Warner Bros. Records. Er bekam die Rechte an sämtlichen bei Warner erschienen Songs und produzierte nochmals zwei Studioalben für den Musikriesen. Seine letzten beiden Platten veröffentlichte er im Herbst und Winter 2015 dann aber wieder auf seinem eigenen Label. Für den Branchenvertreter Dieter Gorny war Prince nicht nur musikalisch ein Pionier und bereit extreme Wege zu gehen: "Er hat auch das Musikgeschäft aufgebrochen und in Frage gestellt. Und zwar auf eine sehr coole, lässige Weise."