Bundeskunstsammlung: Kunst, die allen gehört
8. März 2018"Einigkeit und Recht und Freiheit" mal anders: gesungen in zehn afrikanischen Sprachen. Migranten aus einem Gospel Chor haben aus der deutschen Nationalhymne ein ungewohntes Klanggewirr geschaffen. Im Auftrag des nigerianischen Künstlers Emeka Ogboh, der 2015 als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Berlin war, vertonten sie das "Lied der Deutschen" in ihren Muttersprachen: etwa auf Igbo, Bamun oder Duala. Der "Song of the Germans" klingt zwar fremd und falsch, aber auch exotisch und schön. Der Klangraum mit zehn Lautsprechern des Nigerianers Emeka Ogboh ist wie geschaffen für die "Bundeskunstsammlung".
Sammlung mit deutscher Nachkriegskunst
Seit 1970 steckt der Bund jedes Jahr rund 400.000 Euro an Steuergeld in zeitgenössische Kunst. Anfangs waren es 250.000 DM. Ein Künstler gab seinerzeit den Anstoß: Georg Meistermann, Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes, schlug 1970 Willy Brandt vor, eine Bundeskunstsammlung aufzubauen. Kunst als Aushängeschild eines modernen, demokratischen Deutschlands? Dem damaligen Bundeskanzler gefiel die Idee. Nachdem die Sammlung zunächst unter der Obhut des Bundesinnenministers stand, wird sie heute von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, verwaltet.
Sammlung ohne festes Haus
Einen festen Ort indes, an dem die Sammlung ständig zu besichtigen wäre, gibt es nicht. Die Kunstwerke werden in öffentlichen Institutionen, Ministerien, Botschaften, und im Bundeskanzleramt ausgestellt oder an Museen für Ausstellungen ausgeliehen. So ist die Sammlung häufig nur zeitweise zugänglich. Dabei dokumentiert sie die Kunst der Bundesrepublik seit 1945. Indem sie zeitgenössische Kunst aufnimmt, unterstützt sie Nachwuchskünstler, was auch in der Bonner Ausstellung zu erkennen ist, wo viele Werke der jüngsten Vergangenheit hängen, liegen oder stehen.
400.000 Euro investiert der Bund in Kunst
170 neue Arbeiten sind zwischen 2012 und 2016 hinzugekommen, darunter von vergessenen Größen der Kunstgeschichte ebenso wie von jungen Talenten und Stars des aktuellen Kunstbetriebs. Minimalkünstlerin Charlotte Posenenske, zu Unrecht verkannt in den 1960-er Jahren, gehört dazu, genauso wie Jörg Herold mit seinen verwaschenen Gemälden, von denen eines eine deutsche Autobahn in den 1950-ger Jahren zeigt. Die Fotoarbeit des Künstlerduos Clegg and Guttman wirft ein Schlaglicht auf ein Regal voller in der DDR begehrter Bücher. Antje Majewskis gezeichnete Figuren erinnern an Schnitzereien von Gefangenen des KZ Ravenbrück.
"Ver"-Sammlung wäre wohl der passendere Ausdruck für die Bundeskunstsammlung. Fünf Jury-Mitglieder haben die Werke ausgewählt, einen roten Faden hat die Ausstellung nicht. Den kann es auch nicht geben: Aktuell gehören der Jury die Direktoren von fünf deutschen Museen an: Stephan Berg/Kunstmuseum Bonn, Susanne Gaensheimer/Kunstsammlung NRW, Matthias Mühling /Lenbachhaus München, Svenja von Reichenbach/Deutsche Bank Kunsthalle in Berlin, Anette Hüsch/Kunsthalle in Kiel.
Fünf Jurymitglieder, fünf Meinungen
Die unterschiedliche Sichtweise der Juroren hat Folgen: Der eine interessiert sich stärker für Malerei, der andere vielleicht für Post-Internetkunst. So gibt es viele rote Fäden. Einer führt zu den Fotoarbeiten von Jürgen Staak. Während eines Aufenthalts in China hat der Künstler Wände voller Farbklekse fotografiert. Was aussieht wie abstrakte Malerei, entpuppt sich als Geste der Vertuschung. Telefonnummern von Chinesen, die Dienstleistungen anbieten, wurden von den chinesischen Behörden übermalt und so unlesbar gemacht. "Letztendlich geht es um Zensur", erklärt der Künstler im Interview. "Ich komme aus Ostdeutschland, vielleicht gibt es auch da Zusammenhänge, die die Jury gesehen hat." Den Ankauf seiner Arbeit versteht der Künstler schon mal als Ausdruck von Wertschätzung. "Klar", sagt er, "bin ich stolz, Teil der Bundeskunstsammlung zu sein".