Gott statt Darwin
21. Juli 2009Sie wollen Darwin aus den Schulbüchern streichen und die Idee der göttlichen Schöpfung im Biologieunterricht lehren. Die Kreationisten, die viele Europäer nur in den USA vermuten, bestreiten die wissenschaftlichen Theorien über den Ursprung des Lebens und des Menschen - wie etwa Darwins Evolutionslehre. Die Kreationisten fassen nun auch in Europa Fuß, beispielsweise in Rumänien.
Kreationisten in der EU
Umfragen in Europa und den USA zeigen, dass die Kreationisten ernst zu nehmen sind: Zwischen 20 und 60 Prozent der Befragten glauben an eine göttliche Schöpfung. Der schleichende Vormarsch der Kreationisten bewog den Europarat, das höchste europäische Menschenrechtsgremium, im Oktober 2007 dazu, eine Resolution gegen kreationistische Lehrinhalte im Bildungswesen zu verabschieden.
Einer der Mitgliedsstaaten, die diese Resolution missachten, ist Rumänien: Bereits vor drei Jahren wurden Darwins Evolutionslehre und weiterführende wissenschaftliche Theorien zur Entwicklung des Lebens auf der Erde stillschweigend aus rumänischen Lehrplänen entfernt. Nach Protesten, die damals ungehört verhallten, versuchen jetzt im Darwin-Gedenkjahr Nichtregierungsorganisationen das Thema erneut an die Öffentlichkeit zu bringen.
Die "Rumänische Humanistische Vereinigung" beispielsweise protestiert immer wieder gegen kreationistische Lehrbücher, die mit Genehmigung des Bildungsministeriums im Unterricht verwendet werden. Darunter ist auch ein Biologielehrbuch, in dem es bereits im Vorwort explizit heißt, Vielfalt und Komplexität der Natur seien der Beweis für eine göttliche Schöpfung des Lebens; das Lehrbuch diene der Lobpreisung Gottes. Remus Cernea, der Vorsitzende der Vereinigung, nennt es "verantwortungslos", dass das Bildungsministerium solches Lehrmaterial zulässt. "Das ist einzigartig in einem Mitgliedsland der EU", so Cernea.
0,1 Prozent Atheisten
Das Bildungsministerium schweigt zu solchen und anderen Protesten. Kein Wunder: Staat und Kirche sind in Rumänien nur formal getrennt. In nahezu allen Schulen und Universitäten hängen Heiligenbilder, die orthodoxe Kirche erhebt den Anspruch, einen Teil der Bildung, vor allem den Religionsunterricht, selbst zu gestalten. Politiker zeigen sich gerne mit Priestern, um von der Popularität der orthodoxen Kirche zu profitieren und umgekehrt unterstützt der Staat die orthodoxe Kirche finanziell und logistisch.
Die große Mehrheit der Bevölkerung sieht das nicht kritisch: Weniger als 0,1 Prozent aller Staatsbürger bezeichnen sich als Atheisten. Eine Meinungsumfrage ergab Ende 2007, dass nur 14 Prozent der rumänischen Schüler an die Evolutionstheorie glauben, 73 Prozent hingegen bezeichneten den Kreationismus als gültige Theorie.
Resultat des postkommunistischen Schocks
Die Ursache für diese Situation sehen Politologen auch in der ökonomisch sehr schwierigen Übergangszeit nach der Wende 1989. "Die lange neoliberale Politik war im Leben vieler Rumänen ein großer Schock", sagt der Politologe Cristian Pîrvulescu. "Sie suchen nun Schutz im Glauben und in der Religion."
Autor: Keno Verseck
Redaktion: Julia Kuckelkorn