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Karneval im Schatten der Silvesternacht

Andreas Gorzewski4. Februar 2016

Das Entsetzen nach den Silvester-Übergriffen vor dem Kölner Dom sollte zur Weiberfastnacht in den Hintergrund treten. Ein Großaufgebot der Polizei sicherte den Straßenkarneval. Aus Köln Andreas Gorzewski.

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Drei Frauen in Karnevalskostümen laufen an Polizisten vorbei (Foto: Oliver Berg/dpa)
Bild: picture alliance/dpa/O. Berg

Als Elfe, Biene, lila Milka-Kuh, Minni Mouse, Kuschelbär oder Indianerin verkleidete Frauen strömen gemeinsam mit kostümierten Männern aus dem Hauptbahnhof. Wie jedes Jahr zur Weiberfastnacht haben die Narren das Sagen in der Karnevalshochburg.

Allerdings sind die Vorzeichen für den Auftakt der tollen Tage diesmal anders als in den Vorjahren. Viele Frauen haben noch die Bilder der Silvesternacht im Hinterkopf. Die damalige Welle sexueller Belästigungen und Grapschereien auf dem Bahnhofsvorplatz überschattet das Schunkeln und das "Bützen" - Kölsch für Küsschen geben.

"Wir meiden die Orte, wo viele Leute sind", sagt eine Schülerin in Bayern-Lederhose und zünftigen Kniestrümpfen und blickt auf den Bahnhofsvorplatz. Ihre Wertsachen hat sie besser versteckt als normalerweise. Ihre Freundin mit blauer Strumpfhose und Schlumpfmütze nickt und ergänzt: "Von unseren Eltern mussten wir uns anhören, dass wir besser aufpassen sollen."

Deutschland Karneval in Köln Jecken am Hauptbahnhof
Feierfreudig: Vom Kölner Hauptbahnhof aus stürzen sich die Jecken in den StraßenkarnevalBild: Reuters/W. Rattay

Hinter ihnen zieht ein knappes Dutzend Närrinnen in Zebra-Montur vorbei und macht lautstark klar, dass sie sich den Karneval von nichts und niemandem vermiesen lassen wollen. Eine US-amerikanische Touristin, die von den Übergriffen gehört hat, fühlt sich nach eigenen Worten völlig sicher.

Anderes Bild als zu Silvester

Auf den ersten Blick erinnert an diesem Donnerstag vor dem Bahnhof wenig an den Schrecken der Nacht auf Neujahr. Im Nieselregen ziehen Scharen verkleideter Männer und Frauen über den Platz, kaum jemand bleibt stehen. Viele haben ein Bier in der Hand. Einschlägige Karnevalsschlager tönen aus Lautsprechern. Konfetti bedeckt den Boden. Die Hälfte der Fläche ist schon mit Tribünen für den Rosenmontagsumzug zugebaut. Nur die Polizeiwagen und die mobile Überwachungskamera vor dem Haupteingang verweisen auf die Nacht, die bundesweit für erhitzte Diskussionen sorgte.

Schild warnt vor Taschendieben, daneben eine Überwachungskamera (Foto: Reuters/W. Rattay)
Vorgewarnt: Jecken sollen auf Taschendiebe achten, Überwachungskameras die Diebe abschreckenBild: Reuters/W. Rattay

Vor fünf Wochen hatten hier noch hunderte Jugendliche ein sicheres Durchkommen unmöglich gemacht. Feuerwerkskörper und Raketen flogen auf Passanten. Junge Männer, die laut Zeugenaussagen überwiegend aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum stammten, bedrängten massiv Frauen. Bislang gingen bei der Polizei mehr als 800 Anzeigen wegen sexueller Übergriffe und Taschendiebstählen ein.

Polizei allgegenwärtig

Das soll sich zum Höhepunkt der fünften Jahreszeit nicht wiederholen. Für den neuen Polizeipräsidenten Jürgen Mathies werden die insgesamt sechs Tage des Straßenkarnevals zur Bewährungsprobe. Mathies machte klar, dass seine Beamten bei Zwischenfällen konsequent und frühzeitig einschreiten würden. Damit das - anders als zu Silvester - überall möglich ist, wurden 2500 Beamte mobilisiert. In den Vorjahren waren es nicht einmal halb soviele. Die uniformierten Sicherheitskräfte sind überall präsent, halten sich jedoch im Hintergrund. Inmitten der wogenden Menge sind mehr falsche FBI- und SEK-Agenten zu sehen, als echte Polizisten.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte verkündet: "Wir werden in Köln den traditionsreichen, weltbekannten Karneval feiern, so wie wir es immer getan haben." Trotz der Sicherheitsmaßnahmen bleibt bei vielen ein mulmiges Gefühl. "Man guckt schon, wer neben einem steht", sagt eine Frau mit schwarzem Umhang. "Man ist sensibilisierter", pflichtet ihre rot-weiß kostümierte Begleiterin mit Kölner Stadtwappen auf beiden Wagen bei. Die Freude am Karneval will sich die Mittdreißigerin aber nicht verderben lassen. "Das ist unser Köln, das lassen wir uns nicht nehmen, und wir sind viele", sagt sie trotzig. Dann schließen sich die beiden der lärmenden Menge Richtung Innenstadt an.

Henriette Recker mit Karnevalshut (Foto: Reuters/W. Rattay)
In Schunkelstimmung: Kölns Oberbürgermeisterin Henriette RekerBild: Reuters/W. Rattay

Informationen für Flüchtlinge

Weiberfastnacht - auf Kölsch Wieverfastelovend - markiert in zahlreichen Städten am Rhein den Beginn des Straßenkarnevals. Den Höhepunkt bilden die Rosenmontagsumzüge, bevor an Aschermittwoch wieder alles vorbei ist. Damit bis dahin möglichst keine Missverständnisse aufkommen, informierte die Stadt unter anderem in Flüchtlingsunterkünften, was im Karneval geht und was nicht. Nicht jedes Küsschen auf die Wange sei eine Einladung zu mehr. Wenn ein "lecker Mädche", wie hübsche junge Damen in der Rheinmetropole genannt werden, nein sage, dann heiße das auch nein - so wie außerhalb der tollen Tage auch.

Kostümierte Jecken feiern auf dem Kölner Alter Markt (Foto: Maja Hitij/dpa)
Auf Tuchfühlung: Kölner wollen sich die Freude am Karneval nicht nehmen lassenBild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Auf Handzetteln warnen die Sicherheitsbehörden: "Vorsicht bei Körperkontakt." Im Fall sexueller Übergriffe empfehlen sie: "Weglaufen-Schreien-Abwehren". Ein "Security Point" mit Psychologinnen dient in der Nähe des Doms als mögliche Anlaufstelle. In den ersten Stunden des bunten Treibens verzeichnete die Kölner Polizei aber nicht mehr Zwischenfälle als an diesem Tag üblich.

Oberbürgermeisterin Rekers umstrittene Empfehlung an Frauen, am besten eine Armlänge Abstand zu halten, lässt sich im Gedränge kaum befolgen. Vor allem in den überfüllten Altstadtkneipen, in denen bei dem Regen gefeiert wird, ist das unmöglich. Auf die Frage, ob sie sich in diesem Jahr anders verhalte als sonst, sagt eine junge Elfe mit giftgrüner Perücke: "Eigentlich nicht." Sie wolle einfach nur Spaß haben. Die Mittzwanzigerin meint jedoch: "Letztes Jahr war mehr los."