"Wir brauchen ein europäisches FBI"
4. Januar 2017Bundesinnenminister Thomas de Maizière will den deutschen Sicherheitsapparat mit mehr Kompetenzen des Bundes ausstatten. Die Debatte über die Vorschläge ließ nicht lange auf sich warten - Widerstand gegen den Umbau der deutschen Sicherheitsarchitektur kommt vor allem aus den Ländern.
Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, unterstützt de Maizières Vorstoß, den Bund zu stärken - und plädiert dafür, noch deutlich weiter zu gehen. "Wir leben ja nicht in einer Raumkapsel Deutschland", sagte Ischinger der Deutschen Welle. "Wir leben in einer wesentlich grenzfreien Europäischen Union. Da muss man wirklich mal groß denken und nicht in homöopathischen Tröpfchen."
Ischinger: Vorschläge ernsthaft diskutieren
Statt jeden Monat ein "kleines bisschen mehr Datenaustausch" innerhalb von Europa anzukündigen, plädiert der Sicherheitsexperte für einen großen Schritt. "Was wir eigentlich brauchen, ist eine Art europäisches FBI", sagte Ischinger. Die Tatsache, dass der Vorstoß des Bundesinnenministers von vielen Seiten aktuell große Entrüstung erfährt, bedauerte Ischinger. "Diese Vorschläge verdienen es, im Einzelnen ernst diskutiert und nicht einfach pauschal wieder abgelehnt zu werden."
Auch eine Diskussion über die Abschiebung von Gefährdern hält der Sicherheitsexperte für wichtig. Es sei richtig, eine Verschärfung der Abschiebepraxis auszuloten, sagte Ischinger.
Zukunft der NATO
In Bezug auf die Sicherheitslage der Europäischen Union und die Zukunft der NATO gab Ischinger dem zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump einen Vertrauensvorschuss. Auf die Frage, ob sich die Europäer noch auf die USA verlassen könnten, sagte Ischinger, man müsse erst einmal abwarten, was Trump bei seinem Amtsantritt am 20. Januar sagen werde. "Ich habe eigentlich keine Zweifel, dass die Trump Administration das Bekenntnis zur NATO bestätigen wird", sagte Ischinger. "Das wäre ja ein grandioser Anfängerfehler, wenn er die einzige funktionsfähige Allianz, die Amerika mit einem wichtigen Teil der Welt verbindet, in Frage stellt."
Mit Blick auf die künftige Beziehung zwischen Russland und den USA sieht Ischinger den künftigen Präsidenten eher als Chance. Während es in den vergangenen Jahren keine ernsthaftes Gespräch zwischen US-Präsident Barack Obama und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mehr gegeben habe, sei es nun auch aus europäischer Sicht von zwingendem Interesse, dass wieder Gespräche stattfänden.
Allerdings warf Ischinger ein, dass Entscheidungen der beiden Großmächte nicht über die Köpfe, etwa der baltischen Staaten, der Ukraine oder der Europäer hinweg getroffen werden dürften. "Wenn Amerika, auf der Basis eines erneuten Bekenntnisses zur NATO, sich mit Herrn Putin an den Tisch setzt und ernsthaft über einen strategischen Deal spricht, dann finde ich das wünschenswert."