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Geplante Medienholding in Russland umstritten

Janina Semenova/Irina Filatova12. August 2015

Eine sogenannte "patriotische Medienholding" soll schon bald in Russland gegründet werden. Will der Kreml ein neues Propaganda-Werkzeug schaffen, oder handelt es sich um reine Geschäftsinteressen?

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Pro-Kreml Aktivisten feiern auf dem Roten Platz.
Bild: Getty Images/AFP/D. Serebryakov

In Russland schreiten die Pläne für eine sogenannte "patriotische Medienholding" voran, mit der "ideologisch korrekt eingestellte Künstler" gefördert werden sollen. So wurde jetzt bekannt, dass das Unternehmen "Kreml Media" nun einen der ältesten Musiksender Russlands, "Muz-TV", kaufen und in die neue Holding eingliedern möchte. Das berichtet die russische Tageszeitung "Wedomosti" unter Berufung auf Quellen in der Musikbranche.

Die Gründung einer "patriotischen Medienholding" hatten im Oktober 2014 der Musikproduzent und Geschäftsmann Wladimir Kiseljow und Olga Plaksina, Direktorin des privaten Unternehmens "Russische Medienholding" (RMG), dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeschlagen. In einem gemeinsamen Brief schrieben sie, dass aufgrund einer "unvorhersehbaren Außenpolitik" und des Einflusses ausländischer Künstler auf die Massen "eigene Künstler" gepflegt werden müssten.

Staatliche Eingriffe in die Kulturszene

Die Planungen für eine "patriotische Medienholding" wecken Erinnerungen an die Sowjetunion, in der das gesamte Kulturleben einer strengen staatlichen Kontrolle unterlag. Klar ist, dass es im heutigen Russland bereits staatliche Eingriffe in die Kulturszene gibt.

In den vergangenen Jahren wurden beispielsweise mehrere Kulturmanager durch regierungstreue ersetzt. So wurde nach einer umstrittenen Inszenierung der Wagner-Oper Tannhäuser in Novosibirsk der Direktor des Opernhauses entlassen. Russlands Kulturminister Wladimir Medinski appelliert an Vaterlandsliebe und setzt sich für eine "patriotische Kultur" ein. Auch im Fernsehen ist das spürbar: Viele Spielfilme über den Zweiten Weltkrieg vermitteln ein durchweg positives Russland-Bild.

Offener Brief an Präsident Putin

Auch die Meinungs- und Pressefreiheit werden in Russland zunehmend eingeschränkt. Der Großteil der Medienunternehmen befindet sich inzwischen in staatlicher Hand und somit unter der Kontrolle des Kreml. Als es Ende Juli hieß, der private Medienkonzern RMG könnte an das Staatsunternehmen "Goskonzert", das bislang vor allem Kulturveranstaltungen organisierte, verkauft werden, äußerten sich viele Kulturschaffende besorgt. Zu RMG gehören mehrere Radiostationen, darunter das "Russische Radio" und "Hit FM" sowie der Musiksender "Ru.TV". Letztlich könnten sie alle Teil der "patriotischen Medienholding" werden.

Die Opernsängerin Anna Netrebko singt in München.
Die bekannte russische Opernsängerin Anna Netrebko hat den Brief an Putin mit unterschriebenBild: picture-alliance/dpa/J. Niering

In einem offenen Brief an Präsident Putin forderten Künstler und Produzenten, den Verkauf von RMG zu stoppen. Zu den Unterzeichnern zählt unter anderem die bekannte russische Opernsängerin Anna Netrebko. Auf Nachfrage der DW sagte die RMG-Direktorin Olga Plaksina, dass es bislang keine Einigung gebe und die Verhandlungen noch weiter geführt würden.

Patriotismus nur als Deckmantel

Der Fernseh- und Musikproduzent Iosif Prigoschin, Mitunterzeichner des offenen Briefes, ist jedoch überzeugt, dass die Schaffung einer "patriotischen Medienholding" kein politischer Schachzug des Kreml ist. Es handele sich ausschließlich um wirtschaftliche Ziele des Geschäftsmannes Wladimir Kiseljow. "Unter dem Deckmantel des Patriotismus möchte Kiseljow seine eigenen Business-Interessen durchsetzen", sagte Prigoschin der DW. Er glaubt nicht, dass das Ganze mit dem Wissen des Kreml geschehe. "Uns Künstlern wurde gesagt, dass dies keine politische Entscheidung ist", so der Produzent.

Prigoschin vermutet vielmehr, dass Kiseljow von den Künstlern künftig Geld verlangen wolle, damit ihre Lieder im Radio gespielt werden. Er fürchtet, dass dies den Wettbewerb in der russischen Musikindustrie untergraben wird.

Dennoch kremlnahe Linie

Auch der bekannte russische Musikkritiker Artur Gasparjan hält die "patriotische Medienholding" nur für einen Vorwand zur Durchsetzung von Geschäftsinteressen. "In Russland wird zurzeit alles unter dem Stichwort des Patriotismus abgewickelt", so Gasparjan. Auch Kiseljow nutze den Bezug zur "Vaterlandsliebe" nur aus. Patriotismus spielt eine große Rolle in der heutigen russischen Gesellschaft. Vor allem im Hinblick auf das Militär und beim Gedenken an den Zweiten Weltkrieg zeigen sich viele Russen sehr patriotisch.

Wie der Produzent Prigoschin sieht auch Gasparjan keine politischen Absichten des Kreml bei den Planungen für eine "patriotische Medienholding". Dennoch: Indem sie an den "Patriotismus" der Russen appelliert, scheint die geplante Medienholding trotzdem dieselbe kremlnahe politische Linie zu verfolgen, die der Kulturminister Medinski mit seiner "patriotischen" Kulturpolitik anstrebt.