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Politik

Für immer Merkel?

20. November 2016

Theoretisch könnte Angela Merkel bis zum letzten Atemzug die Bundesrepublik Deutschland regieren. Was manchen an monarchische Zustände erinnern mag, ist durch das Grundgesetz legitimiert.

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Deustchland Angela Merkel
Bild: Getty Images/S. Gallup

Die deutsche Verfassung sieht keine Begrenzung für die Dauer des Amtes des Bundeskanzlers vor. Damit ist Deutschland in Europa keine Ausnahme: Hier muss nur der französische Regierungschef nach maximal zehn Jahren das Zepter weiterreichen.

In parlamentarischen Regierungssystemen wie in Deutschland wird der Regierungschef - Bundeskanzler oder Ministerpräsident - nicht direkt vom Volk gewählt. Das Parlament wählt den Chef der Regierung. Durch die Stimmabgabe für das Parlament hat der Wähler demnach Einfluss darauf, wer nach den Wahlen die Regierung führt. 

Ein Problem ergebe sich durch die nicht vorhandene Amtszeitbegrenzung nicht, sagt der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker: "In den parlamentarischen Regierungssystemen regelt sich die Frage in gewisser Weise von selbst, sodass man keine zeitliche Einschränkung braucht." Irgendwann werde der Regierungschef "sowieso abgewählt", so Decker. Konkret kann ein Regierungschef durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt werden. So geschehen im Jahr 1982, als der damalige SPD-Kanzler Helmut Schmidt abgesetzt wurde. Auf ihn folgte Helmut Kohl von der CDU.

Lange Amtszeiten sind kein Demokratiedefizit

In manchen europäischen Ländern ist es zu relativ häufigen Wechseln gekommen: So sah beispielsweise Italien in den letzten 70 Jahren seit Ende des Zweiten Weltkrieges über 20 Regierungschefs, Großbritannien immerhin 15. Dass es in Deutschland ein Bundeskanzler - Helmut Kohl - auf 16 Jahre brachte und Angela Merkel nun bei einem erneuten Wahlsieg ähnlich lange regieren könnte, ist europaweit eine Ausnahmeerscheinung.

Prof. Dr. Frank Decker
Frank Decker lehrt Politikwissenschaften an der Universität BonnBild: privat

Eine Staatslenkerin, die nicht von ihrer Macht loslassen will - entspricht das noch dem Grundgedanken einer Demokratie? "Auf den ersten Blick scheint das vielleicht eine nahe liegende Frage", sagt Politologe Frank Decker. "Helmut Kohl hat das mal gut beantwortet. Als man ihn darauf ansprach, dass er jetzt fast schon dem ehemaligen Reichskanzler Bismarck nahe komme, sagte er: "Im Unterschied zu Bismarck bin ich immer wieder gewählt worden." Lange Amtszeiten ergäben sich in Deutschland und anderen parlamentarischen Systemen schlicht daraus, dass der Regierungschef nach jeder Legislaturperiode vom Volk bestätigt worden sei, so der Wissenschaftler.

USA: Maximal zwei Legislaturperioden

In präsidentiell geprägten Systemen, beispielsweise auf dem amerikanischen Kontinent, könnte es zu derart langen Regierungsperioden gar nicht erst kommen. Dort wird der Präsident direkt vom Volk und unabhängig vom Parlament gewählt - und das in den meisten Fällen maximal zwei Mal hintereinander.

So gibt es für US-Präsidenten eine Begrenzung auf acht Jahre. Das sei jedoch lediglich ein "historischer Zufall", so Frank Decker. "Der erste Amtsinhaber George Washington hat nach zwei Amtsperioden von selbst gesagt: Ich höre auf. Und an dieses Vorbild haben sich alle Amtsnachfolger gehalten." Franklin D. Roosevelt brach mit dieser Tradition während des Zweiten Weltkrieges, als er 1940 für eine dritte Legislaturperiode antrat. Daraufhin schrieb man eine Amtszeitbegrenzung auf acht Jahre in der US-Verfassung fest.

Audioslideshow Helmut Kohl im Bundestag am Rednerpult
Niemand bekleidete das Amt des Bundeskanzlers länger als er: Helmut Kohl Bild: picture-alliance/dpa

Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die dafür plädieren, eine zeitliche Begrenzung für die Amtszeit einzuführen. So fordert der Politikwissenschafter Frank-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen, dass Merkel auf eine erneute Kandidatur verzichten und ein Bundeskanzler generell nur maximal zwei Legislaturperioden im Amt bleiben solle: "Den Parteien und den Wählern würden erschöpfte Kandidaten oder würdelose Nachfolgekämpfe erspart bleiben", schrieb Korte im Nachrichtenmagazin "Focus".

Der richtige Moment, zu gehen

Auch Frank Decker denkt, dass ein Politiker trotz der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten erkennen sollte, dass es irgendwann an der Zeit sei abzutreten: "Irgendwann haben sich die Wähler an einer Person satt gesehen." Er glaubt, dass die Partei des Regierungschefs sehr schnell handeln würde, wenn sich solch ein Überdruss in der Bevölkerung bemerkbar machen würde: "Wenn die CDU beispielsweise merkt, Frau Merkel macht hier Mist oder mit ihr werden wir die Wahlen nicht mehr gewinnen, dann ist sie schnell weg vom Fenster. Dann wird sie von den eigenen Leuten gestürzt."

Frank Decker geht jedoch davon aus, dass es bei Angela Merkel anders verlaufen wird: "Sie wird vermutlich darüber nachdenken, ob sie Mitte der Legislaturperiode, also 2019, selbst den Weg freimacht für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin aus der Partei." Damit wäre Angela Merkel die erste deutsche Bundeskanzlerin, die freiwillig das Feld räumt. Aber dazu muss sie erst einmal ihre vierte Bundestagswahl als Kanzlerkandidatin im Jahr 2017 gewinnen.