Exilopposition fordert deutsche Hilfe
11. Februar 2012Während die Menschen in Homs, Hama, Aleppo und Deraa sterben, versuchen syrische Oppositionelle im Ausland, Hilfe und Unterstützung für ihre Landsleute in den umkämpften Städten zu organisieren. "Wir haben es mit massiven Menschenrechtsverletzungen zu tun", erklärte Ferhad Ahma, Mitglied des syrischen Nationalrats (SNC), bei einer Pressekonferenz am Freitag (10.02.2012) in Berlin. "Wir sprechen von Massenhinrichtungen. Vergewaltigungen, Folterungen und Verschwindenlassen".
Die syrische Armee setze Panzer, Mörsergranaten und Artillerie gegen Krankenhäuser, Wohnhäuser und Schulen ein. Sie greife die einfache Zivilbevölkerung an, die sich entschieden habe, auf die Straßen zu gehen, um für ein Leben in Würde und Freiheit zu demonstrieren. Dies seien Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für die die syrische Führung um Präsident Bashar al Assad vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Die syrische Exilopposition rufe die Weltgemeinschaft daher auf, den syrischen Widerstand zu unterstützen. Nach dem enttäuschenden Doppelveto im Weltsicherheitsrat, mit dem Russsland und China die Verurteilung des syrischen Regimes verhindert hatten, plane man nun eine neue breit angelegte Hilfskampagne für die bedrängte Demokratiebwegung.
Politische und nicht militärische Hilfe gefordert
"Wir fordern keine militärische Intervention, unterstrich Hozan Ibrahim, Sprecher des Netzwerks Local Coordination Committees of Syria (LCC) und Mitglied im Generalsekretariat des Syrischen Nationalrats. Der 28-jährige lebt nach eigener Auskunft seit sieben Monaten in Deutschland. In seiner Heimat wurde er zweimal verhaftet und setzte sich schließlich ins Ausland ab. Die syrische Exilopposition setze nicht auf einen internationalen Militäreinsatz oder auf die Einrichtung von Schutzzonen für die Bevölkerung, sagte er in Berlin. Statt dessen fordere man nun die politische Isolation des Regimes in Damaskus und weitere Wirtschaftssanktionen. Dazu gehöre, dass die internationale Gemeinschaft den Syrischen Nationalrat als legitimen Vertreter des syrischen Volkes anerkenne und das Regime in Damaskus delegitimiere.
"Wir begrüßen die Entscheidung der Bundesregierung, vier syrische Diplomaten des Landes zu verweisen", ergänzte Ferhad Ahma. Dies reiche jedoch nicht aus. Auch der Botschafter Syriens in Deutschland sollte ausgewiesen werden. Darüber hinaus fordere man Berlin auf, die Beziehungen mit dem Regime in Damaskus abzubrechen und die syrischen Flüchtlinge in Deutschland zu schützen. Das bedeute, dass die Bundesregierung das Rücknahmeabkommen mit Syrien aufkündigen und einen Abschiebestopp für syrische Flüchtlinge in Deutschland verhängen müsse.
In Deutschland leben derzeit rund 32.000 Menschen mit syrischem Pass. Hunderte von ihnen müssten die Bundesrepublik eigentlich aufgrund von Gerichtsentscheiden verlassen. Ahma selbst lebt seit 1996 in Deutschland. Doch auch im Exil fern seiner Heimat ist er nicht sicher. In der Nacht des Weihnachtsfeiertags wurde er in seiner Berliner Wohnung von unbekannten Männern überfallen und verprügelt. Er vermutet, dass es sich bei den Angreifern um Schergen des Assad-Regimes handelte.
Hilfe der Zivilgesellschaft
Unterstützung bekommen die syrischen Oppositionellen auch von deutschen Aktivisten. Elias Perabo hat das Projekt "Adopt a revolution" - "Revolutionspate werden" initiiert. Mit Spendengeldern sollen die Komitees unterstützt werden, die sich in ganz Syrien gebildet haben, um den Widerstand gegen das Assad-Regime zu organisieren. 800 Euro seien nötig, um vier Aktivisten im Untergrund einen Monat lang zu unterstützen.
"Das scheint auch sehr gut angenommen zu werden", berichtet Perabo. Schon 700 Interessenten hätten sich bereit erklärt, Revolutionspatenschaften zu übernehmen. Damit würden über 25 Komitees in syrischen Städten unterstützt. Die Oppositionellen könnten mit dieser finanziellen Hilfe Laptops und Kameras und Internetverbindungen kaufen, um die Außenwelt über das Geschehen in Syrien zu informieren. Dringend benötigt würden außerdem vor allem Medikamente und Verbandsmaterial für die Untergrundlazarette, in denen die Verwundeten behandelt würden.
Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Peter Stützle