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Politik

Entwicklungshilfe: Staat sucht Stifter

28. April 2017

Wohlhabende Deutsche haben Stiftungen mit mehr als 100 Milliarden Euro ausgestattet. Mit diesem Kapital wollen immer mehr Stiftungen auch in Entwicklungsländern Gutes tun. Doch es gibt Fallstricke.

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Hernien-Operation
Bild: Ralph Lorenz

Neuendettelsau liegt in Mittelfranken im Süden Deutschlands, Nkoaranga am Fuße des Mount Meru im Norden Tansanias. Neuendettelsau – Nkoaranga, das ist eine der vielen Partnerschaften zwischen Nord und Süd, die auf private Initiative hin entstanden sind. Seit Jahren unterstützt das Evangelisch-Lutherische Diakoniewerk Neuendettelsau das Nkoaranga Lutheran Hospital. Im Rahmen des Projekts "Klinikpartnerschaften" beraten Mediziner aus Deutschland ihre Kollegen in Nkoaranga nun bei der Behandlung von Klumpfüßen. Finanziert wird das zur Hälfte von der Bundesregierung, zur anderen Hälfte von der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung, einer der finanzstärksten Stiftungen Deutschlands.

Eine private Stiftung finanziert das Entwicklungshilfe-Projekt eines kirchlichen Trägers mit Unterstützung des Entwicklungshilfeministeriums – Kooperationen wie diese sind ganz nach dem Geschmack des deutschen Entwicklungsministers Gerd Müller von der CSU. "So stellen wir die Entwicklungszusammenarbeit auf eine breitere Basis", sagt Müller. "Wir gewinnen Partner mit einem großen Know-how und viel fachlicher Expertise zur Lösung globaler Zukunftsaufgaben."

Gemeinsam gibt's mehr Geld

Die Fresenius-Stiftung ist eine von gut 1700 deutschen Stiftungen, die Gesundheitsvorsorge, Armutsbekämpfung, Bildungsprogramme oder ähnliche Projekte in ärmeren Ländern fördern. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen hervor. Die Zahl von Stiftungen mit dem Zweck der Förderung von Entwicklungszusammenarbeit hat sich demnach seit Anfang der 1960er Jahre mehr als verdoppelt.

Entwicklungsminister Müller in Kenia
Auch Fruchtsaftproduktion fördert Entwicklung: Minister Müller beim Besuch einer Fabrik in KeniaBild: picture-alliance/dpa/B. Otieno

"Private Stifterinnen und Stifter engagieren sich zunehmend in der Entwicklungszusammenarbeit ", sagt Minister Müller anlässlich der Veröffentlichung des Berichts. "Wir unterstützen das Engagement der Stiftungen ausdrücklich, denn gemeinsam können wir noch mehr bewirken."

"Der Uli-Hoeneß-Effekt"

"Alles, was sich an einer positiven Entwicklung in Entwicklungsländern beteiligt, ist erst einmal gut", pflichtet Uwe Kekeritz, entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen im deutschen Bundestag, bei. Und schränkt im Gespräch mit der DW ein: "Es ist natürlich immer davon auszugehen, dass Stiftungen nicht ökonomisch unabhängig sind. Die meisten Stiftungen werden deshalb in eine gewisse Zielrichtung arbeiten. Man muss da aufpassen." Gerade im Gesundheitsbereich gebe es Beispiele für Stiftungen, denen es gelungen sei, "global ganz dominant die Richtung anzugeben." Kekeritz meint damit den Global Fund, den weltgrößten Finanzier von Anti-Aids-, Tuberkulose- und Malaria-Programmen. "Ich wage zu bezweifeln, dass das immer nur positiv ist."

Deutschland Abgeornete Uwe Kekeritz (Die Grüne) bei einer Aktionam Brandenburger Tor
"Jedes Projekt einzeln bewerten": Uwe Kekeritz von den GrünenBild: Imago

Auch im Fall der Fresenius-Stiftung gibt es Kritiker, die eine zu große Nähe der Stiftung zum Fresenius-Konzern bemängeln, einem weltweit tätigen Gesundheitskonzern, der unter anderem private Kliniken betreibt. Fast ein Drittel des Konzerns gehört der Stiftung, die mit fast 9,5 Milliarden Euro Stiftungsvermögen eine der größten Privatstiftungen Deutschlands ist.

Zudem gebe es auch Fälle, in denen der gemeinnützige Zweck nicht wirklich im Vordergrund stehe, sagt Kekeritz. "Wir wissen natürlich, dass viele Stiftungen vor allem Steuersparmodelle sind. Und um sich zu legitimieren, müssen sie natürlich etwas Gutes tun. Das ist der Uli-Hoeneß-Effekt. Der tut Gutes und hinterzieht gleichzeitig Steuern", so Kekeritz. "Und ob das für den Gesamtkontext dann auch wirklich etwas Gutes ist, muss man sich in jedem Einzelfall anschauen."

Scouts für Menschenfreunde

Kekeritz begrüßt, dass Entwicklungsminister Müller gerade auch kleinere Stiftungen bei ihrem Engagement in Entwicklungsländern beraten und unterstützen will. Sonst bestehe die Gefahr, dass viele einzelne Projekte aufgesetzt würden, die strukturell nichts veränderten. Ab Mai sollen sogenannte "EZ-Scouts für Stiftungen und Philanthropen" zum Bundesverband Deutscher Stiftungen entsandt werden. Dort sollen sie im Auftrag des Ministeriums privaten Hilfsprojekten Unterstützung anbieten und sie koordinieren. Schon jetzt gibt es eine Servicestelle, die im Auftrag der Bundesregierung bei der gemeinnützigen GmbH "Engagement Global" Stiftungen berät.

Die Vernetzung privater und staatlicher Entwicklungshilfe aus Deutschland schreitet also weiter voran. Vergleicht man jedoch die Ausgaben, dann liegen Stiftungen noch weit zurück. Eine klare Gesamtsumme ist aus dem aktuellen Bericht des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen nicht ablesbar. Es dürfte sich jedoch schwerlich um mehr als einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr handeln. Der deutsche Staat dagegen schätzt seine Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit auf mehr als 20 Milliarden Euro jährlich.