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Ein Beben erschüttert Italiens Kultur

Stefan Dege (mit Agenturen)31. August 2016

Die Ausläufer waren sogar im entfernten Rom spürbar. Das verheerende Erdbeben in Mittelitalien traf auch Museen, Kirchen und Kulturgüter. Die Schäden sind immens.

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Italien Erdbeben Bildkombo Vorher Nachher. Foto: FILIPPO MONTEFORTE/AFP/Getty Images)

Noch steht Michelangelos (1475-1564) weltberühmte David-Statue auf ihrem Sockel in der Galleria Dell'Accademia von Florenz. Doch wie lange noch? Als vor zwei Jahren eine Serie kleinerer Beben die Gegend um Florenz erschütterte, schlugen Experten Alarm: Das Renaissance-Meisterwerk drohe auseinander zu brechen, warnte eine Studie. Schon vorhandene, feine Mikrorisse in den Beinen könnten sich weiter ausbreiten. Ein Tausch des Sockels sei unabdingbar. Italiens Kulturminister Dario Franceschini versprach 200.000 Euro für den Bau eines erdbebensicheren Sockels für die David-Statue. Geschehen ist bis heute nichts.

Porträt von Cecilie Hollberg. Foto: Waltraud Grubitzsch +++(c) dpa - Report+++
Cecilie HollbergBild: picture-alliance/dpa/W.Grubitzsch

Zwar hält inzwischen die deutsche Kunsthistorikerin Cecilie Hollberg ihre schützende Hand über den nackten Jüngling. Seit einem Jahr leitet sie die Galleria dell'Accademia mit der weltweit größten Sammlung venezianischer Malerei von der Gotik bis zum Rokoko. Nach dem jüngsten Erdbeben in Mittelitalien sei das "Projekt David" wieder in aller Munde. Und sicherlich gebe es Handlungsbedarf. Doch seien die Restaurierungspläne veraltet und müssten nun mit "kühlem Kopf" überdacht werden, sagte Hollberg zur Deutschen Welle. "Wenn das ganze Gebäude einstürzt, nützt mir ein gesicherter David wenig!"

Immense Schäden an Kulturschätzen

Nicht lange nach den Rettern sind Kulturexperten - Kunsthistoriker, Architekten und Restauratoren - in die mittelitalienische Erdbebenregion ausgeschwärmt. Ihre Bilanz ist verheerend: Rund 290 kunsthistorisch bedeutende Gebäude sind in einem Radius von 20 Kilometern um das Bebenzentrum eingestürzt oder beschädigt, 50 davon schwer. In Amatrice traf es die Basilika des heiligen Franziskus, ein Gebäude aus dem 14. Jahrhundert mit barocken Fresken und wertvollen Wandbildern. Auf einem ist das Jüngste Gericht dargestellt, das Fresko wurde schwer beschädigt. "Es fehlen einem die Worte angesichts der Zerstörungen", so der Architekturhistoriker Paolo Vescacci gegenüber der ARD.

Die David-Statue von Michelangelo in der Galleria dell-Accademia in Florenz. Foto: AP Photo/Fabrizio Giovannozzi
In Gefahr? Michelangelos David-Statue in der Akademie der Schönen Künste in Florenz.Bild: AP

In Amatrice wurde das städtische Museum weitgehend zerstört. Es beherbergte wertvolle Sakralkunst des späten Mittelalters und der Frührenaissance. In Archata, so berichten Korrespondenten, droht die mittelalterliche Kirche della Santissima Annunziata einzustürzen. Darin hängt ein polychromes Holzkruzifix aus dem 13. Jahrhundert, eines der wichtigsten Sakralkunstwerke der Region. Einsturzgefährdet ist auch die Kirche des Heiligen Kreuzes in Pescara del Tronto. Sie stammt aus dem frühen 4. Jahrhundert und ist eines der ältesten Gotteshäuser Italiens. In Castelluccio in Umbrien droht der Turm der romanischen Kirche zusammenzufallen. Aus Sicherheitsgründen musste der Dom von Urbino in den Marken gesperrt werden. Tiefe Risse durchziehen die Außenwände.

Solidarität der Museen

Die Kosten des Erdbebens sind derzeit kaum abschätzbar. Noch unklarer ist, woher das Geld für den Wiederaufbau beschädigter Kulturgüter kommen soll: Mit knapp einem Prozent des italienischen Gesamthaushalts ist das Kulturressort das "ärmste" Ministerium der Regierung. Daher hofft Kulturminister Dario Franceschini auf private Geldgeber sowie Hilfen von EU und Unesco. "Und es wird weitere Unterstützung nötig sein", gibt Galleria-dell'Accademia-Direktorin Hollberg zu bedenken, "für die Bergung, Lagerung und Restaurierung von Kulturschätzen, auch für Beratung."

Auf Franceschinis Geheiß haben die staatlichen Museen Italiens ihre Einnahmen vom Sonntag für die Erdbebenhilfe abgezweigt. Nach Angaben aus Rom kamen mehr als 610.000 Euro zusammen. Mehr als doppelt so viele Besucher als an einem normalen Wochenende Ende August seien in die Museen geströmt, meldete die Nachrichtenagentur Ansa. "Es war ein wunderbarer Tag der Solidarität. Danke für die vielen Teilnehmer", twitterte Kulturminister Dario Franceschini. An der Aktion hatten bekannte Museen und Sehenswürdigkeiten wie die Uffizien in Florenz, das Kolosseum in Rom und die Ausgrabungsstätte in Pompeji teilgenommen, ebenso kleinere Regionalmuseen. Allein in Florenz seien 100.000 Euro erlöst worden, rechnete Cecilie Hollberg vor. Das sei erst der Anfang einer großen Unterstützungswelle. "Für uns ist diese Hilfe selbstverständlich!"

Kulturminister Dario Franceschini in der Villa dei Misteri. Foto: EPA/CESARE ABBATE +++(c) dpa - Bildfunk+++
Kulturminister Dario FranceschiniBild: picture-alliance/dpa/C.Abbate