1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Deutsche Politiker fordern Antwort auf Vergiftung Nawalnys

25. August 2020

In einem ungewöhnlichen Schritt haben die Kanzlerin und ihr Außenminister gemeinsam den mutmaßlichen Giftanschlag auf Alexej Nawalny verurteilt. Oppositionspolitikern reicht das aber nicht.

https://p.dw.com/p/3hTWg
Russland Alexej Nawalny
Bild: AFP/Y. Kadobnov

Das war schon äußerst ungewöhnlich für die Bundesregierung: Nachdem am Montag die Ärzte der Berliner Charité erklärt hatten, der russische Oppositionelle Alexej Nawalny sei mit hoher Wahrscheinlichkeit vergiftet worden, wandten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) in einem gemeinsamen Aufruf an die Öffentlichkeit. Sie forderten die russischen Behörden auf, den mutmaßlichen Anschlag auf Nawalny aufzuklären. Angesichts dessen herausgehobener Rolle in der russischen Opposition müsse die Tat bis ins Letzte und transparent aufgeklärt werden. "Die Verantwortlichen müssen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden", heißt es weiter.

Zustimmung, aber auch Kritik von der Opposition

Dieser öffentliche Aufruf findet auch die Zustimmung der deutschen Opposition. So nannte der Außenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Graf Lambsdorff, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die Erklärung von Merkel und Maas ein "starkes Signal." Allerdings entstehe nicht der Eindruck, dass Russland an Aufklärung interessiert sei.

Nicht überrascht von der Nachricht, dass eine Vergiftung wahrscheinlich sei, zeigte sich der Außenexperte der Grünen, Omid Nouripour. Europa müsse jetzt ein Stoppschild aufstellen, sagte Nouripour der DW: "Die Systematik der Anschläge auf Andersdenkende ist nun sehr evident. Was mich zutiefst irritiert, ist, dass die Kanzlerin und der Außenminister jetzt Aufklärung fordern, was an sich richtig ist, aber das verbinden und begründen mit der hervorragenden Stellung von Nawalny in der Opposition. Heißt das, dass man keine Aufklärung braucht, wenn Leute vergiftet werden, die keine hervorragende Stellung haben?" Nouripour forderte die Regierung außerdem auf, eine gemeinsame europäische Antwort auf den Anschlag zu formulieren, zumal Deutschland gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehabe. Als auf den früheren russischen Obersten und späteren Doppelagenten Sergej Skripal vor rund zwei Jahren in Großbritannien ebenfalls ein Giftanschlag verübt worden sein, habe die britische Regierung genau das getan, so Nouripour.

Deutschland Charité in Berlin
Im Berliner Charité-Krankenhaus wird Nawalny zur Zeit behandelt.Bild: DW/V. Esipov

Trotz des Briefes von Merkel und Maas zeigen sich aber Vertreter der Regierungsfraktionen von CDU, CSU und SPD eher zurückhaltend, wenn jetzt schon von Konsequenzen, etwa möglichen Sanktionen gegen Russland die Rede ist. So sagte der Russland-Koordinator der Bundesregierung, Dirk Wiese (SPD), der Zeitung "Die Welt" auf die Frage, ob nicht schon jetzt eine massive Belastung des deutschen Verhältnisses zu Russland vorliege: "Ich würde – Stand heute – nicht von einer Belastung sprechen. Es war ja vor allem eine zivilgesellschaftliche Initiative, die zur Verlegung Alexej Nawalnys in die Charité führte. Natürlich haben auch Behörden das im Hintergrund bewerkstelligt, denn ein Flugzeug braucht nun mal eine Start- und Landeerlaubnis. Diese Kooperation war notwendig."

Weiter ging da schon der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU). Er sagte im "Zweiten Deutschen Fernsehen", vermutlich sei die Vergiftung Nawalnys von höchster Stelle angeordnet worden. "Solche Dinge sind Chefsache", so der CDU-Politiker. Offenbar solle an Nawalny ein Exempel statuiert werden, "zur Warnung der eigenen Bevölkerung". Der Zeitpunkt sei kein Zufall. Ziel sei es, vor dem Hintergrund der Proteste in Belarus ein "klares Zeichen" an die russische Opposition zu senden, sagte Röttgen.

Nawalny während eines Inlandsfluges kollabiert

Der bekannte russische Anti-Korruptions-Aktivist und scharfe Kritiker von Präsident Putin war am vergangenen Donnerstag zunächst in ein russisches Krankenhaus im sibirischen Omsk eingeliefert worden, nachdem er während eines Fluges nach Moskau heftige Krämpfe bekommen und das Bewusstsein verloren hatte. Am Samstag dann wurde er nach Berlin gebracht. Das Ärzte-Team, dass den russischen Oppositionellen in Deutschland behandelt, berichtet, dass diesem vermutlich ein Nervengift verabreicht wurde. Es soll sich um eine noch unbekannte Substanz aus der Klasse der Cholinesterase-Hemmer handeln. Und tatsächlich hat der Fall damit Ähnlichkeit mit dem von Skripal in London vor zwei Jahren.