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Der große Abwesende

Andreas Knobloch, Havanna13. August 2016

An diesem Samstag wird Fidel Castro 90 Jahre alt. Der Rebell, Staatsmann und Frauenheld hat sich schon lange aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Feiern wollen die Kubaner Castros Geburtstag trotzdem - ein bisschen.

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Historisches Porträt von Fidel Castro (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Tasnadi

Man muss schon etwas suchen, um in der Hauptstadt Havanna Hinweise auf den anstehenden runden Geburtstag von Revolutionsführer Fidel Castro zu entdecken. An einigen Wänden wurden frisch Geburtstagsglückwünsche gepinselt, hier und dort wurden Plakate aufgehängt und in einigen Schaufensterauslagen staatlicher Geschäfte sind Grußadressen aufgestellt. Im täglichen Leben der Kubaner ist Fidel ohnehin kaum noch präsent.

Das war vor gut zehn Jahren noch anders. Am Abend des 31. Juli 2006 wurden die Kubaner mit dem für viele Unvorstellbaren konfrontiert. Zur besten Sendezeit verkündete Fidel Castros Privatsekretär Carlos Valenciaga mit ernster Miene den vorübergehenden Rückzug des Comandante. Sein angeschlagener Gesundheitszustand - damals noch ein Staatsgeheimnis - zwang Fidel nach 47 Jahren an der Spitze, alle wichtigen Ämter an seinen fünf Jahre jüngeren Bruder Raúl abzugeben.

Porträt Raúl Castro (Foto: AP)
Die Macht blieb in der Familie: Castros Bruder Raúl übernahm vor 10 Jahren die Ämter von FidelBild: picture alliance/AP Photo/I. Francisco

Abschied in Etappen

Fidel trat von der großen politischen Bühne ab, die er 1953 mit dem Sturm auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba (und seiner berühmt gewordenen Rede "Die Geschichte wird mich freisprechen") und spätestens mit dem Triumph der Revolution auf Kuba 1959 betreten hatte. Aus dem vorübergehenden Abschied wurde zwei Jahre später ein dauerhafter.

Unter seinem Bruder Raúl, der als pragmatischer gilt, hat sich Kuba in den vergangenen Jahren verändert. Der Kauf und Verkauf von Autos und Immobilien ist nun erlaubt, Ausreisebeschränkungen wurden aufgehoben und der Internetzugang für die Bevölkerung ausgebaut. Darüber hinaus hat Raúl die Wirtschaft für ausländische Investitionen geöffnet, den Staatssektor reduziert und mehr Privatinitiative zugelassen. Hunderttausende haben sich seitdem selbständig gemacht. Raúls größte politische Leistung aber dürfte die begonnene Annäherung an den früheren Erzfeind USA sein.

Kursschwenk in den Beziehungen zu den USA

Der steht Fidel wohl eher skeptisch gegenüber. Nach dem historischen Kuba-Besuch von US-Präsident Barack Obama im März polterte er in einer seiner gelegentlich in der Parteizeitung "Granma" erscheinenden Meinungskolumnen: "Wir brauchen keine Geschenke vom Imperium." Um im Nachsatz an die jahrelangen Sanktionen, Anschläge und Toten US-amerikanischer Aggressionen gegenüber Kuba zu erinnern. Auf Fidel selbst sollen durch US-Geheimdienste und exilkubanische Gruppen 638 Attentatsversuche verübt worden sein, behauptet ein früherer kubanischer Geheimdienstchef.

Fiidel Castro diskutiert mit Studenten aus Venezuele (Foto: dpa)
Von Alter und Krankheit geschwächt: Im August 2009 diskutiert Fidel Castro mit Studenten aus VenezuelaBild: picture-alliance/dpa/D. Granma

In den vergangenen Jahren wurde Fidel Castro mehrfach totgesagt. "Mein Tod wurde so viele Male erfunden, an dem Tag, an dem ich wirklich sterbe, wird es niemand mehr glauben", hat Fidel einmal gesagt. Die schwere Darmerkrankung, die ihn zum Rückzug zwang, hat er offenbar überstanden. Seine frühere Omnipräsenz aber hat er eingebüßt; öffentliche Auftritte gibt es so gut wie gar nicht mehr. Gelegentlich empfängt er ausländische Besucher wie Papst Franziskus oder Frankreichs Präsident François Hollande zu privaten Gesprächen. Die von den staatlichen kubanischen Medien verbreiteten Bilder zeigen dann einen ergrauten, sichtlich gealterten hageren Mann mit brüchiger Stimme und in Sportbekleidung.

Kampf um Castros politisches Erbe

Aber auch so, ohne reale politische Macht, bleibt Fidel eine wichtige Figur für den orthodoxen Flügel der Kommunistischen Partei (PCC), jenen, denen der von Raúl betriebene Wandel zu weit geht. "Die Konservativen, die keine Veränderungen wollen, halten sich an Fidel fest, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel", so der frühere kubanische Diplomat Carlos Alzugaray gegenüber der Nachrichtenagentur AP.

Dabei geht es auch um das Erbe Fidels. "Die Zeit eines jeden von uns kommt, aber die Ideen der kubanischen Kommunisten werden überdauern", erklärte er auf der Abschlusssitzung des alle fünf Jahre stattfindenden Kongresses der Kommunistischen Partei Kubas im April. Es sei "vielleicht eines der letzen Male, dass ich in diesem Saal spreche", so Fidel. Nicht wenige der rund 1.000 Delegierten hatten Tränen in den Augen.

Fidel Castro diskutiert mit François Hollande (Foto: AP)
Beliebter Gastgeber: Für ein Foto mit Castro kommen ausländische Politiker gerne zum ComandanteBild: picture-alliance/abaca

Verzicht auf öffentliche Feier

Derweil bereitet sich das Land darauf vor, Fidels Geburtstag zu begehen. Das kubanische Fernsehen zeigt Interviews aus seiner Regierungszeit und es gibt diverse Sondersendungen. In Birán im Osten der Insel, wo Fidel 1926 geboren wurde, werden am Wochenende Hunderte Besucher zu den Feierlichkeiten erwartet und es werden Bäume zu Ehren des Politikers gepflanzt werden. Eine öffentliche Feier mit Fidel wird es hingegen wohl nicht geben.

In den Straßen von Havanna wird die Bedeutung Fidels gewürdigt. "Ich bin Fidel-Anhängerin, das sage ich ganz offen", so Mirta Hernández, Lehrerin in ihren Sechzigern. "Es gibt keinen Zweiten wie ihn. Hoffentlich bleibt er uns noch viele Jahre erhalten." "Mir ist Politik und Fidel egal", erklärt dagegen Alejandro, der, wie er sagt, auf "eigene Rechnung" arbeitet und wie die große Masse der Bevölkerung nach der Revolution geboren wurde. "Bevor Fidel und sein Raúl nicht weg sind, wird sich in diesem Land nichts verändern." Fahd Perreira wiederum, der als Informatiker arbeitet, findet: "Fidel wird immer eine herausragende Persönlichkeit bleiben, nicht nur in Kuba, aber vor allem in Kuba. Nun aber ist es an der Zeit, dass die Jugend übernimmt und es weiter vorangeht."

Ob freigesprochen von der Geschichte oder nicht, fest steht: Fidel ist heute im weltweiten kollektiven Gedächtnis verankert als jener junge Bärtige in olivgrüner Uniform, der den bewaffneten Aufstand anführte und später den USA Jahrzehnte lang Widerstand leistete.