1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wer ist der Dax-Neuling Delivery Hero?

Dirk Kaufmann mit Agenturen
24. August 2020

Mit dem Wegfall der Skandal-Firma Wirecard rückt ein Lieferdienst in die Riege der 30 größten deutschen Börsenkonzerne auf. Delivery Hero wächst seit Jahren rasant, ist aber als Nachrücker in den Dax nicht unumstritten.

https://p.dw.com/p/3hBuX
Deutschland Online-Bestell-Plattform "Lieferheld"
Bild: picture alliance/dpa/J. Kalaene

Ist Delivery Hero noch ein deutsches Unternehmen? Verbraucher in Deutschland haben mit dem neuen Dax-Konzern, der jetzt die Skandalnudeln von Wirecard im Dax ersetzen wird, jedenfalls schon länger keine Berührung mehr. Stattdessen betreibt der Lieferdienst in mehr als 40 anderen Ländern Bestellplattformen für Essen lokaler Anbieter. Neben dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen ist Delivery Hero nun der zweite Berliner Konzern in der Riege der 30 größten börsennotierten Unternehmen des Landes.

Im Börsenumfeld hat die Tatsache, dass die Hauptstadtfirma zwar eine deutsche Gründung ist und seinen Geschäftssitz in Berlin hat, in Deutschland jedoch keine Geschäfte macht und trotzdem als Dax-Nachrücker in Frage kam, für Irritationen gesorgt. 2019 hatten die Verantwortlichen nämlich das gesamte Deutschland-Geschäft an den niederländischen Konkurrenten Takeaway verkauft. Dieser gliederte die Marken Pizza.de, Lieferheld und Foodora in seine eigene Plattform Lieferando ein und dominiert seither den Markt in Deutschland.

Kochen, liefern, vermitteln

Delivery Hero verdiente knapp eine Milliarde Euro mit dem Deal und investierte weiter kräftig in Märkte im Nahen Osten sowie in Nordafrika. Im vergangenen Jahr kam mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes aus diesen Regionen.

Auch in Asien ist Delivery Hero stark. In Europa ist der Konzern hingegen fast ausschließlich in nord- und osteuropäischen Ländern aktiv. Im Westen sieht Konzernchef Niklas Östberg zu wenig Wachstumspotenzial.

Gegründet wurde Delivery Hero im Jahr 2011 als GmbH. Unter den Gründern war auch der Schwede Östberg, der Delivery Hero als geschäftsführendes Vorstandsmitglied auch heute noch führt. Auf seiner Plattform vermittelt der Konzern Lieferdienste zwischen Restaurants und deren Kunden. Nach wie vor stammt das meiste Geld aus Provisionen, die die teilnehmenden Restaurants bezahlen, um dafür mehr Reichweite und Bekanntheit zu erlangen. Allerdings betreibt Delivery Hero auch eigene Lieferdienste und Großküchen.

Deutschland | Lieferdienste | Niklas Östberg von Delivery Hero
Delivery-Hero-Mitgründer Niklas Östberg führt als geschäftsführendes Vorstandsmitglied das Unternehmen auch heute nochBild: Delivery Hero

Corona sei Dank

2017 ging der Konzern an die Börse und war zuletzt im MDax gelistet. Der Aktienkurs hat sich seither prächtig entwickelt: Nach 25,50 Euro zum Einstieg hat sich der Kurs bislang rund vervierfacht, auf aktuell rund 100 Euro. Der Börsenwert beläuft sich auf 20 Milliarden Euro.

Derzeit rangiert das Unternehmen beim Marktkapitalisierungswert deutscher Firmen auf Rang 23. In dieser Kategorie und auch bei der Handelsaktivität konnte Delivery Hero den schärfsten Konkurrenten, Aromenhersteller Symrise, ausstechen und wurde deshalb in den Dax gehoben.

Für das laufende Jahr rechnet Delivery Hero mit Erlösen zwischen 2,6 und 2,8 Milliarden Euro - dank Corona, denn das Unternehmen gilt als ein Gewinner der Krise. Allein im Juni verdoppelte sich die Anzahl der Bestellungen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch Aktienkurs: Der geriet im Sog der Corona-Krise zwar heftig unter Druck, erholte sich aber schnell und stieg rasant.

Noch nicht in der Gewinnzone

Seit seiner Gründung hat das ehemalige Startup zahlreiche Firmen und Beteiligungen erworben. Die Aktivitäten der Berliner erstrecken sich auf Asien und Australien, den Nahen Osten, Zentral- und Südamerika sowie auf Mittel- und Osteuropa. Für die "Lieferhelden" haben im vorvergangenen Jahr 16.600 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 790 Millionen Euro erwirtschaftet, der Verlust vor Steuern lag bei 142 Millionen Euro.

Delivery-Hero-Chef Östberg will sich im Wettbewerb mit Amazon und Google behaupten und nimmt dafür Verluste in Kauf. "Wir sind später als Amazon und Google gestartet und können deswegen nicht nur organisch wachsen, sondern müssen unser Wachstum über signifikante Investitionen stemmen", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

Durch den Verkauf der Deutschland-Marken erzielte Delivery Hero 2019 zwar einen Gewinn, doch operativ schreibt das Unternehmen weiterhin rote Zahlen. Er könne noch keine Prognose abgeben, wann im laufenden Geschäft kostendeckend gearbeitet werden könne, sagte Finanzchef Emmanuel Thomassin bei der vergangenen Hauptversammlung.