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Delhis plündernde Affen

21. Februar 2017

Delhis Affen sind eine Plage. Sie terrorisieren und attackieren die Menschen und stehlen Essen. Ein Schutzgebiet für die Tiere am Rand der Stadt hat das Problem nicht entschärfen können.

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Rhesusaffen in Delhi
Bild: picture-alliance/blickwinkel/A. Liedmann

"Schaut her, das haben sie mit unseren Telefonen gemacht", ruft Kali Devi, eine kleine Frau, die von ihren beiden Kindern begleitet wird. Sie hält zwei kaputte Handys hoch: die Batterien herausgerissen, die Bildschirme kaputt.

Die Täter? Zwei Rhesusaffen. Sie sitzen auf einem grünen Zaun neben Kali Devis Haus in dem Dorf Bhatti Kalan, südwestlich von Delhi. Hinter dem Zaun liegt ein Schutzgebiet für tausende Affen, die ursprünglich über die indische Hauptstadt verteilt gelebt haben. Der Zaun soll verhindern, dass sie in das Dorf eindringen. Aber sie machen, was Affen eben am besten können, sie klettern mit Leichtigkeit über das Hindernis.

Telefone sind aber nicht das, was sie wirklich wollen - sondern Essen. "Sie schnappen sich alles, was sie sehen", sagt Kalis Ehemann Indrapal, der als Tuk-Tuk-Fahrer arbeitet. "Kleine Kinder, die ihr Essen mit sich herumtragen, sind besonders gefährdet. Sie verschonen auch Frauen nicht, während sie zu Männern meistens Distanz halten."

Die frechen Affen haben auch keine Skrupel, in Häuser einzudringen. Das Dach der Familie ist bedeckt mit stacheligen Blättern, die verhindern sollen, dass die Affen drauf springen. Indrapal zeigt auf einen langen Stock, der an der Wand lehnt. Diesen nimmt die Familie zur Hand, um die Tiere zu vertreiben. "Neulich packte ein Affe den Kopf meines Sohnes mit den Händen und ließ erst los, als wir ihn weggejagt haben", so Indrapal.

Sie sind nicht die einzigen Opfer der gefräßigen Primaten. Vor Kurzem biss ein Affe die kleine Tochter ihres Nachbarn. Sie brauchte neun Spritzen gegen Tollwut, Tetanus und andere Krankheiten. Das Kind musste zu einem Krankenhaus in 20 Kilometer Entfernung gefahren werden, wo es die Behandlung kostenlos gab. Laut den Dorfbewohnern hat das örtliche Gesundheitszentrum keine Medizin gegen Affenbisse. Die Menschen fühlen sich von den Politikern allein gelassen.

Verschwundener Lebensraum

Das Problem lässt sich zurückführen auf Indiens rasante Urbanisierung. Die Ausdehnung in Richtung der Wälder brachte Affen und Menschen näher zueinander. Anfangs waren gläubige Hindus begeistert von der Entwicklung. Die Tiere sahen sie als eine Offenbarung des Affengottes Hanuman und legten Bananen auf ihre Balkone und in die Gärten. Erst später wurde ihnen klar, dass "Hanuman" nicht immer nett war. Aber da war es schon zu spät. Ende der 1990er Jahre sei Dehlis wohlgenährte Affen-Population explodiert und aggressiv geworden, sagt die Primatologin Iqbal Malik. Sie ermutigte anfangs die Menschen, Seite an Seite mit den Affen zu leben. Aber jetzt, sagt sie, sei das nicht mehr möglich.

Die Landesregierung von Delhi begann schon 2001, professionelle Affenfänger zu verpflichten. Anfangs hielt man die gefangenen Tiere in Käfigen, doch dann wurden sie in der Stadt freigelassen. 2005 wurden zwei Lastwagen voll mit Affen nach Madhya Pradesh gebracht, einem Staat in Zentralindien. Vairakannu Bharatydasan, der Inspektor der Wildschutz-Behörde in Delhi findet, dass diese Lösung eigentlich gut war. "Aber kein anderer Staat will die Affen mehr. Überall gibt es die gleichen Probleme, deshalb wollen sie die Affen aus Delhi nicht nehmen."

2007 wurde schließlich ein neuer Lebensraum für die Tiere geschaffen, ein gut 1200 Hektar großes Gelände innerhalb des Asola Bhatti-Naturschutzgebietes. Damals hatte das Affendrama einen neuen Höhepunkt erreicht: Der Bürgermeister Delhis war durch eine Affen-Attacke von seinem Balkon gestürzt und tödlich verunglückt.

Nun, zehn Jahre nach dem Vorfall, teilte die Stadtverwaltung von Süd-Delhi (SDMC) mit, dass sie für die Aufgabe nicht richtig ausgestattet sei. Die Wildschutzbehörde der Regierung solle übernehmen, forderte die Verwaltung. Seit 2007 hat die SDMC, Berichten zufolge, 19.000 Affen in das Schutzgebiet überführt. In den vergangenen Jahren aber wurde kaum noch ein Affe gefangen, weil wohl Käfige und erfahrene Affenfänger fehlen. Die Folge: Das Affenproblem in Delhi besteht weiter und hat sich nun auf die Gegend rund um das Naturschutzgebiet Asola Bhatti ausgeweitet.

Personal fehlt

Das Hauptproblem sei, dass das Naturschutzgebiet nicht eigenständig ist, sagt die Primatologin Malik. Zwischen 2007 und 2015 wurden fast 80 Millionen Rupien (1,1 Millionen Euro) für Affenfutter ausgegeben – eine Lastwagenladung Obst und Gemüse, die meist einmal täglich vor die Tore des Parks gekippt wurde.

"Durch das Pflanzen von Obstbäumen nach einem richtigen Plan, könnte in ein bis zwei Jahren ein eigenständiges Schutzgebiet geschaffen werden", sagt Malik. "Inzwischen ist auch eine Baumschule entstanden, aber die Setzlinge sind nicht vor den Affen sicher. Die Tiere zerstören die jungen Bäume." Malik schlägt vor, die Bäume nach und nach anzupflanzen, weg von den Primaten. Sie sollten ein bis zwei Jahre zum Wachsen haben.

Malik, die in den 1980er-Jahren angefangen hat die Rhesusaffen in Delhi zu erforschen, kritisiert auch die Art und Weise, wie die Tiere gefangen wurden. Die öffentliche Hand ging völlig planlos vor, zerstörte Familien und ließ einzelne Tiere orientierungslos zurück. Während die Forscherin in den 1980er-Jahren den Menschen empfahl einen Weg zu finden, um mit den Affen zu leben, räumt sie heute ein: Das sei nicht länger möglich.

Inspektor Bharatydasan glaubt allerdings nicht, dass das Asola Bhatti-Naturschutzgebiet das Problem lösen kann, auch wenn man die Vorschläge der Primatologin Malik ausprobieren würde. Die Wildschutzbehörde, die das Naturschutzgebiet verwaltet, sei unterbesetzt, sagt er.  "Es müsste mindestens 60 bis 75 Inspektoren wie uns geben", sagt Bharatydasan. Er ist einer von nur zwei Inspektoren insgesamt.

Auch das Einfangen der Tiere durch die Wildschutz-Behörde sei nicht möglich. "Wir haben einfach nicht das Personal. Besser als die Affen zu fangen und umzusiedeln, wäre es, die Regierung würde die Affenpopulation sterilisieren", so Bharatydasan. "Wir haben das schon einige Mal vorgeschlagen, aber bis jetzt hat keiner auf uns gehört."

Die Affen-Population in Delhi wird auf 7000 Tiere geschätzt – ohne die Primaten aus dem Naturschutzgebiet. Niemand wird verschont. Erst im Juli letzten Jahres war zu beobachten, wie ein Affe auf den Tischen der indischen Parlamentsbibliothek herum sprang. Solche Vorfälle sind gut für ein paar kurze Zeilen in der Zeitung, aber über das Problem der Dorfbewohner in Bhatti Kalan wird kaum berichtet. Für sie ist die Affenplage Teil des alltäglichen Lebens. Und genauso wie die Affen haben sie niemanden, zu dem sie gehen können.

Affen, die eine Mauer hochklettern 
Wenn ein Affe Hunger hat, halten Mauern und Zäune ihn nicht aufBild: Aletta Andre
Ein Madchen vor ihrem Haus. Ein Affen-Schutzgebiet liegt daneben
Kali Devis Nachbarin (im Bild) wurde von einem Affen gebissen und musste danach ins KrankenhausBild: Aletta Andre
Kali Devi, ihr Mann Indrapal und ihre Kinder vor ihrem Haus neben dem Affen-Schutzgebiet
Kali Devi, ihr Mann Indrapal und ihre Kinder vor ihrem Haus. Sie sagen, dass sie von Affen, die im Affen-Schutzgebiet nebenan wohnen, terrorisiert werdenBild: Aletta Andre