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Gesellschaft

Debatte um Impfpflicht könnte sich ziehen

9. Januar 2022

Die Omikron-Welle rollt, eine allgemeine Impfpflicht wird sie nicht stoppen können. Dennoch fordert die Union Tempo bei dem Vorhaben. Ampelkoalitionäre treten auf die Bremse.

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Impfausweis und Kugelschreiber in den Parteifarben
Bild: Sascha Steinach/dpa/picture alliance

Politiker von SPD und Grünen haben Erwartungen an einen raschen Beschluss des Bundestages zu einer allgemeinen Impfpflicht im Kampf gegen die Corona-Pandemie gedämpft. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem Berliner "Tagesspiegel": "Die Beratungen im Bundestag sollten wir im ersten Quartal zum Abschluss bringen." Das sei ein anspruchsvoller Zeitplan. Mit Blick auf mögliche Verzögerungen betonte Wiese, die Impfpflicht wirke ohnehin nicht kurzfristig, sondern sei "perspektivisch eine Vorsorge für den kommenden Herbst und Winter".

Grünen-Fraktionschefin Haßelmann
Grünen-Fraktionschefin Haßelmann plädiert für eine Impflicht, spricht aber von einer schweren Entscheidung Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, betonte: "Das ist keine einfache Entscheidung, das bedeutet einen tiefen Eingriff." In den Fraktionen müsse zunächst diskutiert werden, welche Vorstellungen es gebe. "Und dann können wir Ende Januar die öffentliche Debatte im Bundestag darüber führen", sagte Haßelmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Frage sei "so relevant und weitgehend", dass es eine "fundierte und sehr sorgfältige Beratung" brauche. Haßelmann selbst sprach sich für eine Impfpflicht aus.

Keine Fraktionsvorgaben

Über eine Impfpflicht soll der Bundestag ohne Fraktionsvorgaben abstimmen. Eine schnelle Entscheidung wird es aber voraussichtlich nicht geben. Im Gespräch ist zunächst eine "Orientierungsdebatte" im Januar. Die SPD strebt den Abschluss eines Gesetzgebungsprozesses im ersten Quartal an, also bis Ende März. Die dann folgende nächste reguläre Sitzung des Bundesrates stünde am 8. April an.

Der Deutsche Städtetag unterstützt Pläne zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht und setzt auf eine rasche Entscheidung. "Um die Pandemie hinter uns zu lassen, müssen wir ganz überwiegend geimpft sein, das schaffen wir vermutlich nur mit einer allgemeinen Impfpflicht", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe den Funke-Zeitungen. Er mahnte: "Die notwendige Debatte dazu muss der Bundestag zügig führen und entscheiden. Dann würden wir besser gerüstet in die fünfte Welle gehen."

"Das ist Arbeitsverweigerung"

Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, in der Frage aktiver zu werden. "Der Bundeskanzler kann jetzt nicht mit verschränkten Armen warten, ob es Vorschläge aus dem Parlament gibt oder nicht. Da wird wertvolle Zeit vertrödelt. Das ist das Gegenteil von Führung, das ist Arbeitsverweigerung!", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag".

Der Deutsche Kinderschutzbund appellierte an Eltern, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. "Eine schwere Erkrankung der Eltern wäre für ihre Kinder viel schlimmer, als dass die Eltern sie nicht ins Kino begleiten können", sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auf die eigene Gesundheit achten, das sei für Menschen mit Kindern auch im Interesse des Nachwuchses.

Buschmann warnt Corona-Demonstranten

In die Debatte um Corona-Maßnahmen und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung schaltete sich inzwischen auch Bundesjustizminister Marco Buschmann ein. Er will die immer wieder ausufernden Corona-Demonstrationen nicht länger tolerieren. "Wenn systematisch gegen Regeln verstoßen wird oder es sogar zu gewalttätigen Angriffen kommt, müssen Versammlungen als ultima ratio notfalls auch aufgelöst werden", sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Gewalt gegen Polizisten oder Journalisten dürfen wir als Rechtsstaat unter keinen Umständen hinnehmen."

Marco Buschmann
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)Bild: Thomas Trutschel/photothek/imago images

Gebe es rechtliche Vorgaben oder Auflagen, wie beispielsweise das Tragen von Masken oder die Abstandswahrung, müssten diese selbstverständlich eingehalten werden, betonte Buschmann.

Der Minister riet zweifelnden Bürgern, Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen fernzubleiben. "Leider nehmen an solchen Demonstrationen immer wieder auch Extremisten teil, die nicht auf dem Boden der Verfassung stehen, und versuchen, die Kritik an den Corona-Maßnahmen für ihre eigenen Zwecke zu nutzen", sagte er. "Man sollte sich deshalb gut überlegen, ob man wirklich an der Seite von solchen Gruppen mitmarschieren möchte."

Tausende gehen in Hamburg auf die Straße

Auch am Samstag waren wieder tausende Menschen gegen die Corona-Politik der Regierung auf die Straße gegangen. Die größte Kundgebung gab es in Hamburg, an ihr nahmen laut Polizei rund 13.700 Menschen teil. Auch in anderen Bundesländern kam es zu Demonstrationen.

Deutschland Hamburg | Proteste | Corona-Maßnahmen
Auch am Samstag gab es in vielen deutschen Städten Proteste gegen die Corona-Politik der RegierungBild: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet unterdessen erneut einen Anstieg der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Sonntagmorgen mit 362,7 an. Er steigt seit Ende Dezember von Tag zu Tag. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 335,9 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 222,7 (Vormonat: 390,9).

haz/sti (dpa, rtr, afp)