1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

De Winne: Frauen sollen Astronauten werden

Zulfikar Abbany/ cb7. Juli 2016

Die Astronautin Kate Rubins ist auf dem Weg zur ISS. DW fragte den ehemaligen ISS-Kommandanten Frank De Winne, was passieren muss, damit mehr Frauen ins All fliegen und dort Führungspositionen übernehmen.

https://p.dw.com/p/1JLJ6
Kasachstan Start Sojus-Rakete zur ISS Kathleen Rubins
Bild: picture-alliance/TASS/M. Lystseva

Deutsche Welle: Herr De Winne, Sie waren Kommandant der Internationalen Raumstation (ISS). Was ist nötig, um es so weit zu schaffen?

Frank De Winne: Als erstes muss man ein gut ausgebildeter Astronaut sein und schon einiges an Weltraumerfahrung haben. Ich hatte meinen ersten Flug 2002 und wurde lange hier am Europäischen Astronautenzentrum ausgebildet - ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt.

Außerdem sollte man gut kommunizieren können. Als Kommandant muss man mit der Bodenstation und der Crew in Kontakt sein. Man muss aus der Crew ein Team formen, denn wie Tim Peake schon erklärt hat [auf einer Pressekonferenz], sind die einzelnen Mitglieder zwar sehr gut ausgebildet. Aber der Kommandant muss ein Team aus ihnen machen, das zeichnet ihn aus. Außerdem gehört auch Glück dazu...

Astronaut Frank De Winne (Foto: DW)
Frank de Winne hält Teamwork für das WichtigsteBild: Copyright: DW/Z. Abbany

Glück, wirklich?

Ja, Glück spielt wirklich eine Rolle. Wenn man zum Beispiel Teil einer Mission ist, bei der die Russen den Kommandantenposten zugeschrieben bekommen, dann kann ja keiner von uns ihn bekommen. Das wird gerecht aufgeteilt zwischen Amerikanern, Kanadiern, Japanern, Europäern und Russen. Also gehört auch ein bisschen Glück dazu.

Es könnte also passieren, dass ein Astronaut, der bereits mehrfach Kommandant war, bei einer zukünftigen Mission trotz seiner Erfahrung wieder "normales" Crew-Mitglied wird?

Ja, das kann vorkommen und es wäre auch nicht das erste Mal. Aber dieser ehemalige Kommandant kann dann auch als Mentor für den neuen fungieren. Wir wollen so viel wie möglich von unserem Wissen und den Erfahrungen, die wir auf unseren Missionen sammeln, teilen. Wir können nicht alles in eine einzige Person investieren. Wir arbeiten als eine Gemeinschaft. Wir tun was wir tun für die Zukunft der Menschheit und nicht für bestimmte Individuen.

Auch Frauen sind Teil dieser Gemeinschaft. Peggy Whitson zum Beispiel war Kommandantin der Mission 16 und wird auch die Mission 50/51 leiten. Aber sie und Sunita Williams sind die einzigen weiblichen Kommandanten bisher. Werden auch junge Astronautinnen wie die Italienerin Samantha Cristoforetti oder die Amerikanerin Kate Rubins diese Chance bekommen? Steigen jetzt mehr Frauen wie sie die Karriereleiter hinauf?

Auf jeden Fall. Es gibt keinen Grund, warum Frauen nicht genau so gute Kommandanten sein können wie Männer, in der Raumfahrt allgemein und auf der ISS. Es gibt überhaupt keinen Grund. Nur hatten wir leider in der Vergangenheit nicht viele Frauen, die an unserem Auswahlprozess teilgenommen haben. Wir haben allgemein wenige Frauen und deswegen auch wenige weibliche ISS Kommandanten. Aber ich bin sicher, dass dieses Ungleichgewicht in Zukunft gerade gerückt wird.

Aber es gibt so viele Frauen in den Naturwissenschaften. Warum wollen die nicht Astronautinnen werden und die Geschicke der ISS leiten?

Daran müssen wir sicherlich arbeiten, sowohl mit der internationalen Gemeinschaft als auch innerhalb der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA). Wir müssen mehr Frauen für den Astronautenjob begeistern. Beim Auswahlprozess für die "Class of 2009," dem Jahrgang, für den auch Tim Peake [und der deutsche Astronaut Alexander Gerst] ausgewählt wurde, hatten wir ursprünglich 15 bis 20 Prozent weibliche Bewerberinnen. Wir haben basierend auf Qualität und medizinischer Fitness ausgewählt und die gleichen Kriterien bei Männern und Frauen angewandt. Am Ende hatten wir eine Frau, Samantha Cristoforetti, unter den sechs erfolgreichen Kandidaten. Das ist immer noch 18 Prozent. Die wirkliche Frage ist: Wie können wir es anstellen, dass sich schon für den Auswahlprozess mehr Frauen melden?

Und wie können Sie das tun?

Indem wir dafür Werbung machen. Indem wir Frauen klar machen, dass das ein Job für sie ist, eine interessante Rolle. Indem wir zeigen, dass das auch mit der Familie vereinbar ist, so wie Tim das als Vater tut. Indem wir Vorbilder wie Peggy Whitson haben. Und indem wir bei unserer nächsten Astronautenauswahl in Europa - wann immer die auch sein wird - klar machen, dass wir auch viele Frauen für den Job wollen.

Samantha Cristoforetti auf der ISS (Foto: ESA/ NASA)
Samatha Cristoforetti genießt echten italienischen Cappuccino auf der ISSBild: ESA/NASA

Was sind die Hauptkriterien für einen ISS-Kommandanten im Gegensatz zu einem Crewmitglied? Gibt es eine offizielle Liste?

Eine offizielle Liste gibt es nicht. Aber es gibt das "Multilateral Crew Operations Panel" (MCOP). Das ist eine Gruppe von Experten, bei denen ich die ESA repräsentiere. Das Panel schaut sich alle Kandidaten und ihre Qualitäten an. Wir suchen nach Menschen, die schon mal im All waren, die auf ihren Missionen gut gearbeitet haben, die Führungsqualitäten haben und gut kommunizieren können, die aber auch gut folgen können. Man muss auch Mitgefühl gegenüber seinen Crewmitgliedern zeigen und ein echter Teamplayer sein können.

Wie wichtig ist die Anzahl der Tage, die man im Weltraum verbracht hat? Die war bei Tim Kopra nicht sehr hoch, als er Kommandant der Expedition 47 wurde.

Es geht nicht wirklich um die Anzahl. Als ich ISS-Kommandant wurde, hatte ich nur 10 Tage im Weltraum verbracht. Aber es zählt, was man mit der Zeit im All macht. Man kann auf einer kurzen Mission sein, aber sehr effektiv arbeiten, hilfreich sein, gut kommunizieren und alles im Griff haben. Es zählt also, wie erfolgreich man war. Und zwar nicht nur, wie gut man mit der Technik umgegangen ist - Knöpfe drücken und dem Prozedere folgen kann jeder. Aber wie hat man als Teil des Teams funktioniert? Das ist der entscheidende Punkt.

Frank De Winne leitet seit 2012 das Europäische Astronautenzentrum in Köln. 2002 reiste er das erste Mal ins All, im Rahmen einer Unterstützungsmission für die Internationale Raumstation. Von Mai bis Dezember 2009 war er ein zweites Mal auf der ISS, zuerst als Crewmitglied und später als Kommandant.