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PolitikEuropa

Britische Justiz erlaubt Abschiebungen nach Ruanda

13. Juni 2022

Die britische Regierung will ab diesem Dienstag illegal eingereiste Asylsuchende nach Ostafrika ausfliegen. Die Justiz hat keine Einwände. Menschenrechtsgruppen finden diese Idee unmenschlich.

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Demonstranten in London protestieren gegen die geplanten Abschiebungen nach Ruanda
Demonstranten in London protestieren gegen die geplanten Abschiebungen nach RuandaBild: Wiktor Szymanowicz/AA/picture alliance

Es sei "eines der sichersten Länder der Welt", das globale Anerkennung dafür genieße, Einwanderer "willkommen zu heißen und zu integrieren", hatte Premierminister Boris Johnson gesagt, als sein umstrittener Plan vorgestellt wurde, illegal eingereiste Asylsuchende nach Ruanda abzuschieben. Und seine Innenministerin Priti Patel stieß ins selbe Horn: "Ruanda ist ein sicheres Land und wurde schon früher als sicherer Zufluchtsort für Flüchtlinge anerkannt."

Die Vereinbarung mit Ruanda sieht vor, illegal in Großbritannien angekommene Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft, in das ostafrikanische Land zu fliegen, damit sie dort Asyl beantragen und sich ansiedeln können. Nach Johnsons Plänen erhält Ruanda anfangs 120 Millionen Pfund (etwa 144 Millionen Euro) für die Zusammenarbeit. Damit will die konservative britische Regierung Flüchtlinge abschrecken. Menschenrechtler vertreten die Meinung, die Abmachung verstoße gegen das Asylrecht.

"Im öffentlichen Interesse"

Nun ist der erste Flug höchstrichterlich erlaubt: Am Freitag entschied der High Court in London, dass der erste für diesen Dienstag geplante Flug stattfinden dürfe. Richter Jonathan Swift wies einen Antrag von Flüchtlingsorganisationen und einer Gewerkschaft ab, den Flug mit einer einstweiligen Verfügung zu stoppen. Es sei im öffentlichen Interesse, dass Innenministerin Priti Patel Entscheidungen der Einwanderungspolitik umsetzen könne, so Swift.

Am Montag wurde auch die Berufung der Kläger verworfen. Die Aktivisten hatten die Pläne mit dem Argument stoppen wollen, dass eine Abschiebung in das ostafrikanische Land unsicher sei. Eine richterliche Entscheidung über die neue Abschieberegelung insgesamt steht noch aus.

"Schande für Großbritannien"

Laura Dubinsky, die als Anwältin das UN-Flüchtlingshilfswerk vertritt, sagte, dass Menschen, die im Rahmen des Programms nach Ruanda geschickt würden, der Gefahr eines "ernsten, nicht wiedergutzumachenden Schadens" ausgesetzt seien. Das UNHCR habe "ernsthafte Bedenken, ob Ruanda in der Lage sei, die ankommenden Flüchtlinge aufzunehmen". Die Sprecherin des UNHCR in Großbritannien, Catherine Stubberfield, erklärte gegenüber der Deutschen Welle, Großbritannien versuche durch den Vertrag mit Ruanda, seine internationalen Verpflichtungen auszulagern. 

Auch der britische Thronfolger Prinz Charles hat das Vorhaben in einem Medienbericht als "entsetzlich" verurteilt, führende Vertreter der Kirchen sowie des Islam bezeichneten es als "unmoralisch". Das Abkommen sei eine Schaden für Großbritannien, heißt es in einem Brief der Führungsspitze der Church of England, aus dem die "Times" zitiert.

Zunächst nur wenige Asylbewerber betroffen

Die Zahl der Asylbewerber für den ersten geplanten Flug hat sich inzwischen von ursprünglich 37 auf sieben verringert. Mehrere Personen hatten erfolgreich eingewendet, dass sie aus gesundheitlichen oder juristischen Gründen nicht nach Ruanda abgeschoben werden sollten. 

Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen wurde zuvor 130 Menschen ein Abschiebebescheid zugestellt. Darunter seien auch Schutzsuchende aus Syrien und Afghanistan, deren Asylverfahren nun in dem ost-afrikanischen Land geprüft werden soll.

Gedenken an den Genozid in Ruanda
In einem Gedenkzentrum in Ruandas Hauptstadt Kigali wird an die Opfer des Völkermords erinnertBild: Ben Curtis/AP/picture alliance

Ruanda ist das am dichtesten besiedelte Land Afrikas und beherbergt bereits Zehntausende von Flüchtlingen. Der Wettbewerb um Land und Ressourcen trug zu jahrzehntelangen ethnischen und politischen Spannungen bei, die im ruandischen Völkermord von 1994 gipfelten, bei dem mehr als 800.000 ethnische Tutsi und die gemäßigten Hutu, die sie zu schützen versuchten, getötet wurden.

Die Regierung von Präsident Paul Kagame hat seit dem Genozid bedeutende wirtschaftliche Fortschritte erzielt, doch Kritiker verweisen auf politische Unterdrückung. Es gibt kaum politische Opposition, und Gehorsam gegenüber den Behörden wird streng eingefordert.

rb/ack (AFP, AP, dpa, Reuters)

Dieser Nachrichtenartikel vom 11. Juni wurde nach der Berufungsverhandlung am 13. Juni aktualisiert.

In einer früheren Fassung wurde der Anschein erweckt, dass mit dem Urteil auch die Abschieberegelung insgesamt richterlich abgesegnet worden sei. Tatsächlich handelt es sich erst einmal nur um eine Einzelfallentscheidung. Wir haben die Passage entsprechend angepasst.