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Bericht: VW ließ Dieselabgase an Affen testen

27. Januar 2018

Volkswagen steckt schon wieder in Erklärungsnot. Um zu zeigen, wie unschädlich angeblich saubere Dieselmotoren sind, griff eine Lobby-Gruppe unter Federführung des Autobauers nach Medienberichten zu dubiosen Methoden.

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Javaneraffe
Bild: picture-alliance/dpa/blickwinkel/McPHOTO

Der "Dieselgate"-Skandal des VW-Konzerns bekommt offenbar ein neues Kapitel. Den Stein ins Rollen brachte die "New York Times". Sie berichtet unter Berufung auf Gerichtsunterlagen und Dokumente der US-Regierung von einem bizarren Experiment in einem Labor in Albuquerque im Bundesstaat New Mexico. Demnach wurden dort im Jahr 2014 zehn Javaneraffen bis zu vier Stunden in Kabinen eingesperrt, in die Auspuffgase eines - mit manipulierter Abgastechnik ausgestatteten - VW Beetles geleitet wurden. Zur Beruhigung wurden den Tieren während des Experiments Zeichentrickfilme gezeigt. Das Ganze sei Teil einer Studie gewesen, die beweisen sollte, dass die Schadstoffbelastung durch Dieselmotoren dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen hat.

Die "New York Times" stützt sich bei der Beschreibung der Experimente vor allem auf Zeugenaussagen des Studienleiters Jake McDonald vom Lovelace Respiratory Research Institute (LRRI). Ihm sei nicht klar gewesen, dass der VW Beetle eine Software zur Abgas-Manipulation an Bord hatte. Dass VW - auch bei seiner Studie - systematisch betrog, konnte der Forscher zunächst kaum glauben. "Ich komme mir vor wie ein Dummkopf", sagte McDonald den Ermittlern.

Der Wissenschaftler erklärte im Rahmen der US-Ermittlungen zum VW-Skandal, ohne diese Ermittlungen wäre der "Albuquerque Monkey Test" womöglich niemals an die Öffentlichkeit gelangt. Über die Affen sagte McDonald dem 179 Seiten langen Verhörprotokoll: "Sie mochten es, Cartoons zu gucken." Über das brisante Dokument berichtet auch die "Süddeutsche Zeitung".

Federführung bei VW

Demnach wurde die Untersuchung von der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) in Auftrag gegeben. Diese Lobby-Initiative wurde von Volkswagen, Daimler, BMW und Bosch finanziert. Federführend sei VW gewesen. Daimler und VW bestätigten auf Anfrage der Nachrichtagentur dpa die Auftragsvergabe, wollten sich zu den Experimenten aber nicht konkreter äußern.

"Daimler unterstützt und toleriert keine unethische Behandlung von Tieren und distanziert sich von der Studie", sagte eine Sprecherin. Sie verwies darauf, alle von der EUGT beauftragten Forschungsarbeiten seien von einem Beirat aus Wissenschaftlern von "namhaften Universitäten und Forschungseinrichtungen" begleitet und geprüft worden - von der Auswahl bis zu den Ergebnisdarstellungen. BMW versicherte ebenfalls, der Konzern führe keine Tierversuche durch und habe an der Studie nicht mitgewirkt. "Details wie Ablauf oder Umfang können wir entsprechend nicht kommentieren." VW teilte mit, die Kritik an der Studie sehr ernst zu nehmen.

Tierversuche offenbar überflüssig

Medizinische Experten kritisierten die Tierversuche. "Diese Versuche sind völlig unnötig, da es bessere und leidfreie Testmethoden mit menschlichen Lungenzellen gibt", sagte der Geschäftsführer des Vereins "Ärzte gegen Tierversuche", Claus Kronaus der "Bild"-Zeitung. Der Wissenschaftler Joachim Heinrich, bis zu seiner Pensionierung 2014 Leiter des Helmholtz-Instituts für Epidemiologie, erklärte in der "Süddeutschen Zeitung": "Die tierethischen Bedenken sind so groß, dass man diese Tiere in Deutschland bereits seit mindestens 15 Jahren nicht mehr zur Untersuchung solcher Fragen heranziehen würde."

Aber was genau versprach man sich von dem Affen-Experiment? Die manipulierten Tests hätten VW Forschungsergebnisse liefern können, um die eigenen - als "sauber" vermarkteten - Diesel von älteren Autos abzugrenzen. Deshalb wurde bei dem Versuch zur Gegenüberstellung ein Ford-Diesel-Truck des Modelljahres 1999 gewählt – also eine ziemliche Abgas-Dreckschleuder. Die gewünschten Resultate brachte die Studie übrigens letztlich nicht. Denn die 2007 von BMW, Daimler, Volkswagen und Bosch gegründete EUGT wurde Mitte 2017 aufgelöst. Bosch war laut "Süddeutscher Zeitung" schon 2013 ausgestiegen. Die abschließenden Ergebnisse der Studie hätten bis 2017 nicht vorgelegen, womit das Projekt auch nicht abgeschlossen und veröffentlicht worden sei, heißt es von VW.

Kronzeuge Liang

Besonders peinlich für Volkswagen: Das Testfahrzeug wurde laut Gerichtsakten von dem VW-Ingenieur James Liang beim Labor abgeliefert. Nachdem der "Dieselgate"-Skandal im September 2015 aufflog, kooperierte der langjährige VW-Mitarbeiter als Kronzeuge mit den Strafverfolgern. Im August 2017 verurteilte ihn ein US-Richter wegen seiner Rolle in der Abgasaffäre zu drei Jahren und vier Monaten Gefängnis sowie zu einer Geldstrafe von 200.000 Dollar.

Der getestete Beetle hatte den Berichten zufolge eben jene Software zur Abgas-Manipulation an Bord, die Volkswagen 2015 in eine der tiefsten Krisen der Konzerngeschichte stürzen sollte. Der Skandal kostete den Wolfsburger Konzern inzwischen mehr als 25 Milliarden Euro.

kle/jj (dpa, New York Times, sueddeutsche.de, Bild)